Vor wenigen Tagen zog er im Ring noch alle Register, um seinen Charakter als Oberfiesling zu unterstreichen - nun lässt er es auf einen realen Knall ankommen, der WWE-Konkurrent All Elite Wrestling in seinen Grundfesten zu erschüttern droht.
AEW-Knall: Welche Rolle spielt WWE?
© AEW
Laut übereinstimmenden Medienberichten hat Supertalent MJF (Maxwell Jacob Friedman) vor dem heutigen Pay Per View Double or Nothing 2022 einen Auftritt bei einem Fanfest in Las Vegas platzen lassen und droht auch, zu seinem großes Match mit Rivale Wardlow nicht anzutreten. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu AEW)
MJF soll einen Flieger aus Las Vegas gebucht haben und scheint damit seinem Boss Tony Khan die Pistole auf die Brust gesetzt zu haben, auf Forderungen einzugehen, die seine Zukunft in der Liga betreffen. Auf Versuche der Kontaktaufnahme hätte er zuletzt nicht mehr reagiert - der Eklat um die spektakuläre „No Show“ ähnelt dem zwischen WWE und Sasha Banks sowie Naomi vor zwei Wochen. Inzwischen berichtet Wrestling-Journalist Sean Ross Sapp (Fightful), dass MJF das Ticket allerdings nicht eingelöst hat - nach null Uhr nachts amerikanischer Ortszeit.
Was genau der 26-Jährige durchsetzen will, ist unklar, was er zuletzt aber deutlich hat durchblicken lassen: Er ist unzufrieden mit den Konditionen seines 2024 auslaufenden Vertrages. Ungewiss ist, ob er noch einen besseren haben will - oder ob er es auf eine Entlassung und einen sofortigen Wechsel zu Vince McMahons WWE anlegt.
- Mike Ritter und Günter Zapf stimmen aus Las Vegas auf AEW Double or Nothing ein - und teilen ihre persönlichen Erinnerungen an Owen Hart: Heelturn - der SPORT1 Wrestling Podcast - die aktuelle Folge auf SPORT1, Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt
MJF und AEW: Verhältnis wirkt zerrüttet
Die Saga um das charismatische Mega-Talent MJF - bei AEW mit Fehden gegen Cody Rhodes, Chris Jericho und CM Punk zum Top-Bösewicht aufgebaut - schien eigentlich erst im Jahr 2024 auf ihren Höhepunkt zuzusteuern.
MJF sprach in Interviews und auch vor der AEW-Kamera darüber, dass er als Free Agent „den größten Bieterkrieg der Wrestling-Geschichte“ auslösen und zum bestbezahlten Star der Branche aufsteigen wolle. Zuletzt verdichteten sich jedoch die Anzeichen, dass das Verhältnis zu AEW sich schon jetzt massiv verschlechtert hat.
Im März soll es Streit um ein von AEW nicht autorisiertes Interview mit dem Journalisten Ariel Helwani gegeben haben, vor einigen Wochen berichtete Fightful, dass MJF inzwischen deutlich zu einem WWE-Wechsel tendiere. Immer wieder wird auch darauf verwiesen, dass MJF ein gutes Verhältnis zu AEW-Mitgründer Cody Rhodes hat, den es in diesem Jahr zu WWE gezogen hat - und dem es dort gut ergangen ist. (“Ich bekomme einen absurden Haufen Geld“: Warum Cody Rhodes‘ WWE-Deal folgenschwer und wegweisend ist)
Neue Irritationen durch PK von Tony Khan
Am Donnerstag - dem Tag nach der TV-Show Dynamite mit dem letzten Hype für das MJF-Wardlow-Match - kam es zu neuen Irritiationen.
Bei einer Medienkonferenz sprach Khan auf Nachfrage darüber, warum er zulässt, dass die Vertragssituation von MJF in die Storylines seiner Liga einfließt. Er sagte dabei unter anderem, dass dies für MJF eine „tolle Gelegenheit ist, etwas Groll zu verarbeiten, den er im echten Leben über seinen Vertragsstatus oder andere Dinge hegt“.
MJF scheint dies als Affront aufgefasst zu haben, er twitterte als Reaktion darauf den Satz: „„F***ing lol. F*** this place man.“ Mittlerweile ist der Beitrag wieder gelöscht, doch der Ärger, der dahinter steckt, scheint nicht verklungen zu sein.
Ein inszenierter „Work“? Es gibt keine Anzeichen
Wie immer in solchen Fällen kursieren Spekulationen, dass die Sache ein inszenierter „Work“ sein könnte, der bei Double or Nothing oder danach als Story-Wendung aufgelöst wird und dazu dienen soll, das Interesse an dem Pay Per View zu steigern.
Alle gut vernetzten US-Portale legen sich jedoch fest, dass dies nicht der Fall ist, jedenfalls nicht von AEW-Seite aus. Spätestens durch seinen Fanfest-Boykott und der damit verbundenen Enttäuschung der dort Anwesenden hat der Wirbel auch einen Punkt erreicht, der nicht mehr im Interesse der Liga ist. Was nicht ausschließt, dass der reale Ärger - wie hundertfach in der Wrestling-Geschichte passiert - nachträglich noch ins Drehbuch eingefügt und in einen „Work“ verwandelt werden könnte, sollten MJF und AEW wieder zusammenfinden.
Laut Fightful ist das Verhältnis zwischen AEW und MJF auf einem „Allzeittiefpunkt“, andere Wrestlerinnen und Wrestler seien explizit angehalten, sich nicht mehr zum Thema zu äußern.
Hat WWE die Finger im Spiel?
Eine weitere Spekulation, die unter anderem auch vom langjährigen Szene-Guru Dave Meltzer (Wrestling Observer) in den Raum gestellt wird, ist die Theorie, ob WWE seine Hände im Spiel hat.
Meltzer erinnerte in diesem Zusammenhang an den Fall des früheren UFC-Kommentators Mike Goldberg, der 2005 von WWE angestiftet worden sein soll, einen gültigen Vertrag mit der damals als Konkurrent empfundenen MMA-Liga zu brechen und einen fliegenden, gut bezahlten Wechsel zu WWE hinzulegen, an einem Abend, an dem es Shows beider Ligen gab (was Goldberg letztlich abgelehnt hat).
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Meltzer verwies auch darauf, dass bei WWE aktuell große Reizstimmung gegen AEW-Boss Khan herrsche, nachdem der sich in dieser Woche öffentlich über den Umzug der WWE-Juliveranstaltung Money in the Bank von einem Stadion in eine kleinere Halle lustig gemacht hat.
Erinnerungen an legendären WWE-Knall um Jeff Jarrett
Ein anderer Fall, mit dem die Causa MJF verglichen wird, ist der von Jeff Jarrett im Jahr 1999: Jarrett drohte der damaligen WWF, zu Konkurrent WCW zu wechseln, ohne vorher seinen Intercontinental-Titel zu verlieren, den er damals noch trug - und den WWE damals aufgrund von Backstage-Wirren versehentlich nicht wechseln ließ, bevor Jarretts Vertrag ausgelaufen war.
Jarrett ließ sich den „Job“ für die mittlerweile früh verstorbene Chyna damals gut bezahlen, machte sich aber durch sein Verhalten auf Jahre hinaus bei WWE unmöglich: Als WCW 2001 unterging und von WWE aufgekauft wurde, feuerte McMahon als eine seiner ersten Amtshandlungen danach Jarrett vor laufender Kamera. Ironie der Geschichte: Erst vor wenigen Tagen kam heraus, dass der inzwischen mit WWE versöhnte Jarrett nun einen wichtigen Posten bei der Live-Eventplanung von WWE bekommt.
Ein weiterer vielsagender Vergleich, den Meltzer inzwischen - nach der Nachricht, dass MJF über Nacht in Las Vegas geblieben ist - niedergeschrieben hat: MJF wolle offenbar „Brian Pillman sein“. Der 1997 tragisch früh verstorbene Pillman war berüchtigt für seine Selbstinszenierungen zwischen Realität und Fiktion, mit denen er Fans und auch Kollegen in die Irre führte.
Wie Khan auf die verfahrene Situation reagiert und Double or Nothing nun mit oder ohne MJF umplant, muss sich zeigen: Spätestens in der Nacht zum Montag wird er sich in der üblichen Pressekonferenz nach AEW-Pay-Per-Views an die Öffentlichkeit wenden.