Die Debatte um den Rücktritt von Mesut Özil und um dessen Rassismus-Vorwürfe gegenüber der DFB-Spitze reißt nicht ab. Thomas Müller will aber genau das Gegenteil erreichen.
Müller: Dürfen uns nicht selbst zerfleischen
"Man sollte diese Diskussion oder Debatte endlich beenden und sich aufs Sportliche konzentrieren, weil von Rassismus im Sport und in der Nationalmannschaft absolut keine Rede sein kann", befand der 28-Jährige am Rande des Bayern-Trainingslagers am Tegernsee.
"Eine heuchlerische Diskussion"
Während Manuel Neuer tags zuvor noch eine deutliche Äußerung zu Özils Rücktritt oder zu dessen Vorwürfen vermied, wählte Müller den anderen Weg. Zum einen übte der Bayern-Stürmer Kritik an der Berichterstattung über das Thema, das längst die sportliche Ebene überschritten hat und zu einem gesellschaftspolitischen Disput ausgewachsen ist.
"Sicherlich haben die Protagonisten keine glückliche Rolle gespielt, egal ob aufseiten des Verbandes oder auch die Spieler selbst. Ein bisschen ist es aber auch eine heuchlerische Diskussion, die von den Medien sicherlich mitgetragen wird", stellte der gebürtige Weilheimer fest.
Zum anderen nahm er den Verband in Schutz. "Ich glaube, dass der DFB nichts anderes wollte, als dass Ruhe in das Thema einkehrt - aber es wurde immer wieder nachgefragt, nachgebohrt und man hat das Thema aufgebauscht", kritisierte Müller. "Jetzt hat man den Salat."
Vom DFB sei es nie angedacht gewesen, "dass das Thema drei Wochen dauert". Für Müller ist klar: "Es hat aber auch jeder gewusst, dass es für den DFB nicht gut ist, wenn das Thema drei Wochen dauert."
Müller fand das Özil-Thema "komplex"
Bis zu den Aussagen von Neuer hatte sich kein WM-Fahrer zu der Diskussion in irgend eine Richtung geäußert. "Für uns Spieler war das Thema nie so stark, wie es gemacht wurde", beteuerte Müller. Er persönlich empfinde die Debatte schlichtweg als "komplex".
Dass sich die DFB-Auswahl im Laufe des WM-Turniers deutlicher für Ilkay Gündogan und Özil hätte aussprechen müssen, die nach den umstrittenen Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in sozialen Medien und verbal angegangen wurden, verneinte Müller.
"Wir haben als Mannschaft ganz klar gesagt, dass das Thema für uns keine Rolle spielt und wir die beiden Spieler brauchen, um erfolgreich zu sein. Wir haben ihnen auch das Gefühl gegeben, dass wir sie unterstützen", sagte Müller. "Das Thema ist ein gesellschaftliches Problem und keines des Fußballs."
Dann wurde Müller energisch: "Ich bekomme einen Vogel, wenn wir uns bei gesellschaftlichen Themen selbst zerfleischen und uns dann wundern, wenn es an jeder Ecke Aua macht."
Müller über Zeit nach Özil
Den vorzeitigen Abschied Özils aus der Nationalmannschaft betrachtet der 92-fache Nationalspieler nüchtern. Man habe beim DFB 30 jährlich 20 Spieler zur Auswahl. Bisher sei es so gewesen, "dass Mesut aus Trainersicht immer zu den 18 Besten dazugehörte. Jetzt ist er aber zurückgetreten und andere werden die Rolle ausfüllen".
Sein Appell für die Ära nach Özil und das erste Länderspiel am 6. September gegen Frankreich nach dem WM-Debakel: "Es soll sich wieder auf das Sportliche konzentriert werden und nicht zu viel über Randgeschichten gesprochen werden. Wir müssen wieder dazu zurückkehren, mehr zu dienen und zu funktionieren."