Carlo Ancelotti machte es auf die italienische Art.
Real ist hieb-, stich- und bissfest
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Erster Wechsel: Alvaro Arbeloa für Fabio Coentrao, 91. Minute. Zweiter Wechsel: Jese für Javier Hernandez, 92. Minute. Dritter Wechsel: Asier Illaramendi für Isco, 93. Minute. Spiel vorbei.
So macht man das im Halbfinale der Champions League in Überzahl nach 90 Minuten Treterei auf beiden Seiten. Es ist etwas passiert mit Real Madrid.
Achtes Duell der Saison
Zum achten Mal in dieser Saison standen sich Real und Atletico Madrid gegenüber. Jedes Derby hat den Champions-League-Titelverteidiger körperlich an die Grenze geführt. Hinzu kam jeweils die Schlacht im Kopf gegen Diego Simeone und dessen Kreuzungen aus Nahkämpfer und Langstreckler.
Kein Gegner hat Real innerhalb einer Saison wohl derart zugesetzt wie der Stadtrivale, nicht einmal Pep Guardiolas Barcelona. Denn gegen Atletico ist Real immer noch der ewige Favorit (PRESSESTIMMEN: "Chicharito aus Gold").
Zum genau richtigen Zeitpunkt kam dabei der erste Sieg dieser Spielzeit in den direkten Duellen. Real weiß eben, wie es funktioniert in Europa. Und kann dank der ständigen Herausforderung durch Atletico jetzt so gut grätschen, reklamieren und mit allen Gliedmaßen austeilen wie nie.
Geduld gefragt bei Real
Wohl auch weil Karim Benzema und Gareth Bale verletzt fehlten, war Atletico kaum spielerisch beizukommen. Real kümmerte sich zwar mehr um den Ball als der Gegner, kombinierte aber selten ganz nach vorne. Geduld war gefragt.
Die wichtigste Absenz aus Reals Sicht: Luka Modric. Der Kroate verpasst wegen eines Sehnenrisses den Rest der Saison.
Benzema, Bale und Marcelo kehren zurück
Benzema und Bale können es immerhin bis zum Halbfinale zurück schaffen, auch der gegen Atletico gelbgesperrte Marcelo ist dann wieder dabei. Ohne Modric fehlt dem Mittelfeld aber etwas ganz Entscheidendes.
"Ich wollte, dass wir das Spiel kontrollieren und ohne Eile in der Offensive Lösungen finden", sagte Ancelotti. Tatsächlich hatte Real einige gute Möglichkeiten und scheiterte erneut an Atleticos Torhüter Jan Oblak. Zumeist steckte das Spiel aber in der Mitte fest.
Toni Kroos gab wieder die bewährte Passmaschine, kam gegen Atletico auf 97 Prozent. Isco fehlt als Kroos' Partner im Zentrum aber noch die Erfahrung in den richtig großen, kratzigen Spielen.
Khedira spielt keine Rolle
Darum bleibt es oft bei Sicherheitspässen aus Furcht, der Gegner könnte zuschnappen. Sami Khedira spielt dabei im Mittelfeld schon längst keine Rolle mehr. Damit der Weltmeister nochmal ran darf für Real, müssten noch viele Konkurrenten ausfallen.
Bleibt die offensive Dreierreihe als Hoffnung auf den alten Tempofußball. Der Hindernisläufer Real Madrid hat Atletico hinter sich gelassen - nun auf in den Spurt.
Trainer Ancelotti muss diese Wende schaffen mitten in der entscheidenden Phase der Saison. Trifft Real im Halbfinale wieder auf die Bayern, ist die Kontervariante wieder am wahrscheinlichsten. Der Italiener hat Fans und Medien vor Ort bereits beigebracht: Ballbesitz muss kein Zeichen von Dominanz sein.
Erst Keile, dann Konter
Ancelotti versucht dabei, die neue Hieb-, Stich- und Bissfestigkeit seiner Mannschaft als zusätzliche Qualität zu bewahren. Erst Keile, dann Konter hieße das für den Halbfinalgegner.
Mit Sergio Ramos, Pepe, Dani Carvajal oder Marcelo hat er dafür schon die Richtigen. Disziplin haben sie schon vor einem Jahr bewiesen. Gegen den FC Bayern oder Barcelona bekäme Real womöglich den Raum für eigene Angriffe, den Atletico verstacheldrahtet hat.
Schwächer als beim Titelgewinn 2014 ist Real diesmal kaum einzuordnen. Schließlich stand die Mannschaft damals in der Liga sogar noch schlechter da als jetzt. "Real war überraschend schwach, das muss man ganz klar sagen", urteilte damals Philipp Lahms Urteil über das Madrider Viertelfinale gegen den BVB und ging dann mit seinen Bayern im Halbfinale unter.
Unterschätzen sollte man Real auch diesmal nicht: Im entscheidenden Moment dürfte sich Ancelottis Truppe einmal mehr steigern.