Das warnende Beispiel, wie schnell es als vermeintlich großer Nationen gehen kann, hat Frankreich eindrucksvoll geliefert. (Service: Alle Infos zur Handball-EM inklusive Spielplan)
Gensheimer gibt Rätsel auf
© Imago
Diesen GAU eines vorzeitigen EM-Aus möchte die deutsche Handball-Nationalmannschaft im abschließenden Vorrundenspiel abwenden. Dabei ruhen die Hoffnungen auch auf Uwe Gensheimer, wenn es im Trondheim Spektrum gegen Lettland geht. (Handball-EM 2020, Lettland - Deutschland, ab 18.15 Uhr im LIVETICKER)
Doch ausgerechnet der DHB-Kapitän gibt seit Turnierbeginn Rätsel auf.
Der 33-Jährige gab sowohl beim Auftaktsieg gegen die Niederlande (34:23 (15:13)) als auch und vor allem bei der bitteren Pleite gegen Titelträger Spanien (26:33 (11:14)) eine äußerst unglückliche Figur ab - wenn er denn auf dem Feld stand.
Sein Coach stärkt ihm mit Worten den Rücken, doch sprechen die Handlungen die gleiche Sprache?
Prokop stärkt Gensheimer: "Ich habe vollstes Vertrauen in Uwe"
Nach der deutlichen Niederlage gegen das spanische Team stellte sich Bundestrainer Christian Prokop demonstrativ hinter seinen Spielführer und Führungsspieler.
"Uwe hat enorme Qualitäten. So dass ich auf Deutsch gesagt - verzeihen sie den Begriff - sage: Scheiß drauf!", wählte der 41 Jahre alte Coach markige Worte.
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Prokop räumt ein, dass Gensheimer "im Moment von der Chancenverwertung her nicht optimal" spielt. Gegen Oranje verwarf er zwei von drei Siebenmetern und sah einen Feldverweis, auch gegen Spanien ging nur ein Strafwurf bei drei Versuchen rein, seinem gesamten Spiel fehlt offensichtlich die Leichtigkeit.
"Er macht sich persönlich sicher viel Druck, weil er natürlich erfolgreich für die Mannschaft vorneweg gehen möchte", sagt Prokop. "Aber er ist ein Weltklasse-Spieler. Das wird abgehakt und er kann super Handball spielen."
Dass der in Normalform beste deutsche Feldspieler derzeit womöglich mit seiner Rolle überfordert sei, glaube der Trainer indes nicht. "Ich habe vollstes Vertrauen in Uwe. Die Gegner haben Riesen-Respekt vor ihm."
Daniel Stephan: "Vielleicht muss man einen Kapitän auch etwas mehr stützen"
Und dennoch verzichtete Prokop zuletzt auf die "enormen Qualitäten" Gensheimers. Nachdem der Star der Rhein-Neckar Löwen gegen die Niederlande bereits nach 16 Minuten wegen eines Gesichtstreffers beim Siebenmeter gegen Oranje-Keeper Bart Ravensbergen mit Rot vom Feld flog, schmorte er gegen Spanien einzig auf Geheiß des Trainers die meiste Zeit auf der Bank.
"Er hat in der zweiten Halbzeit null Minuten gespielt. Der Bundestrainer stellt sich hin und sagt, er ist ein Weltklassespieler. Wenn er ein Weltklassespieler ist, dann muss ich ihn auch unterstützen und weiterspielen lassen", wunderte sich der ehemalige Welthandballer Daniel Stephan bei SPORT1.
"In erster Linie liegt es am Spieler", sagt Stephan, "aber man muss vielleicht einen Kapitän auch etwas mehr stützen als andere Spieler. Uwe hat viel verworfen. Aber er kann mehr. Man hätte ihn dann auch wieder bringen können. Denn von Linksaußen kam in der zweiten Halbzeit gar nichts mehr."
Aus Sicht des Europameisters von 2004 "war nicht zu sehen, wer die Mannschaft führt".
Gensheimer selbstkritisch, aber kämpferisch
Ebenjener Anspruch ist es, der bei Gensheimer für großen Druck sorgt: Er soll als Kapitän vorweggehen, sein Weltklasseformat zeigen und Deutschland bei dieser Handball-EM anführen - am besten bis ins Finale und zum Titel.
Bis zur Krönung, die ihm als Spieler 2016, als er verletzt bei der Europameisterschaft nur zusehen konnte, verwehrt blieb. Endlich einen Titel mit dem Nationalteam gewinnen.
Eine Drucksituation, über die sich der DHB-Kapitän mit Zimmerpartner Patrick Groetzki austauschen könnte - doch dieser ist nicht dabei, Gensheimer weilt im Einzelzimmer.
Nach der Spanien-Pleite sah man ihn niedergeschlagen in den Katakomben der Arena, die Hände vor dem Gesicht. Später zeigte er Verständnis für seinen Bankplatz über weite Strecken der Partie. "Es lief leider nicht optimal in der ersten Halbzeit", daher sei seine Auswechslung "legitim" gewesen.
Trotzdem gibt sich Gensheimer kämpferisch. Ihn blockiere nichts, das Spiel gegen Lettland sei "eine neue Chance". Für Deutschland, aber auch für ihn. "Natürlich möchte ich vorangehen, möchte meine Leistung zeigen."
Der Schalter muss sofort umgelegt werden. Nur ein Sieg sorgt für das sichere Weiterkommen in die Hauptrunde. Und nur dann haben die trotzigen Worte Gensheimers Gewicht: "Es gab auch in anderen Turnieren Niederlagen in der Vorrunde."