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Leichtathletik: Richard Ringer über Siena-Marathon und Olympische Spiele

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Leichtathletik: Richard Ringer über Siena-Marathon und Olympische Spiele

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Marathon-Ass: "Das ist schon brutal"

Leichtathlet Richard Ringer spricht im SPORT1-Interview über die beeindruckende Leistung in Siena und seine Gefühle im Hinblick auf die erhofften Olympischen Spiele.
Richard Ringer beim Berlin-Marathon Ende 2020
Richard Ringer beim Berlin-Marathon Ende 2020
© Imago
Johannes Fischer
Johannes Fischer

Leichtathlet Richard Ringer ist auf Kurs!

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Nach einem starken Siena-Marathon dürfte dem 32-Jährigen die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio nicht mehr zu nehmen sein. 

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Ringer stellte dabei auch noch einen Rekord auf: Beim Marathon in Siena unterbot er seine Bestzeit um ganze zwei Minuten und lief damit auf Rang vier der ewigen, nationalen Bestenliste.

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Im Interview mit SPORT1 spricht der Routinier vom Bodensee über die beeindruckende Leistung in Siena, Ziele für die kommenden Monate und seine Gefühle im Hinblick auf die anstehenden olympischen Spiele.

Außerdem verrät er, was er von einer vorzeitigen Corona-Impfung für Athleten hält und warum er seinen Kollegen Amanal Petros bewundert. 

SPORT1: Herr Ringer, Sie haben beim Marathon in Siena die eigene Bestzeit um zwei Minuten verbessert. Wie schätzen Sie Ihr Rennen wenige Tage danach ein?

Richard Ringer: Es ist sehr gut gelaufen, ich hatte aber mit einer Zeit um die 2:09 Stunden gerechnet. Im Rennen gab es für mich keine andere Möglichkeit, als es erstmal ruhig anzugehen, denn die Spitzengruppe war zu schnell unterwegs. Also habe ich mich der Gruppe angeschlossen, die 2:10 beziehungsweise 2:11 Stunden laufen wollte, sonst hätte ich mich von Anfang an allein auf den Weg machen müssen. Es hat sich die ganze Zeit sehr locker angefühlt, viel lockerer als bei meinem ersten Marathon in Valencia. (Alles Wichtige zur Leichtathletik)

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Ringer: "Das ist einfach ein anderes Niveau"

SPORT1: Nach 30 Kilometern haben Sie dann Gas gegeben…

Ringer: Die letzten 12 Kilometer bin ich dann voll out gegangen, was sich immer besser angefühlt hat. Da habe ich gemerkt, dass ich aufhole, vor allem in der letzten Runde. Ich habe mich an den Athleten vor mir orientiert, sie überholt und neue Motivation geschöpft. Ich bin sehr zufrieden, auch wenn der Negativsplit fast schon zu groß war. Normalerweise sollte man hinten heraus nicht mehr sprinten können, ich habe auf den letzten 300 Metern noch drei Athleten überholt. Das war schon eher Bahntempo, was ich da noch drauf hatte. Positiv ist, dass ich die Regenerationsphase jetzt besser gestalten kann, weil mich der Marathon nicht ganz so angestrengt hat, als wenn ich eher gleichmäßiger gelaufen wäre und vielleicht das Maximum rausgeholt hätte. Ich denke, da ist noch ein guter Puffer drin.

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SPORT1: Hätten Sie denn im Nachhinein auch die Option gehabt, mit der schnellen Gruppe zu starten?

Ringer: Nein, die Option gab es nie. Die Athleten, die vorne mitgelaufen sind, liefen deutlich unter drei Minuten pro Kilometer. Das ist einfach ein anderes Niveau, dafür muss ich die nächsten Jahre arbeiten. Ich bin erst acht Monate im Marathontraining und habe gerade erst mein zweites Rennen bestritten. Das dauert einfach vom Bahn- zum Marathonläufer, das ist eine ganz andere Trainingsgeschichte. Da muss man erstmal Kilometer sammeln und darf nicht gleich wie die Feuerwehr loslegen. Aber ich bin sehr zuversichtlich, weil es beim zweiten Marathon schon sehr gut geklappt hat - vom Gefühl her war sogar noch was drin. Und ich weiß ja auch, dass ich im Training noch sehr viel Puffer habe. Deswegen freue ich mich auf das, was noch kommt.

SPORT1: Die Olympia-Qualifikation haben sich damit ja so gut wie in der Tasche - oder müssen Sie noch zittern?

Ringer: Nein, das brauche ich jetzt nicht mehr. Es haben vier deutsche Läufer die Norm, aber es sind schon große Abstände dazwischen. Es ist nicht so, dass wir da jetzt im Sekundenbereich sind, bis zum nächsten Läufer gibt es einen Abstand von 1,30 Minuten. Vor allem kann man nicht jede Woche einen Marathon laufen, das ist bei anderen Disziplinen anders.

Zwei Marathons in kurzer Zeit sind nicht möglich

SPORT1: Ihr Plan, von der Bahn auf die Straße zu wechseln ist aufgegangen, oder?

Ringer: Selbst wenn er nicht aufgegangen wäre - irgendwann will man mal etwas anderes erleben. Ich bin 32 Jahre alt und meine Bestzeit auf 5000 Meter ist aus 2015. Ich bin in den letzten Jahren immer knapp hingekommen, aber da musst du wirklich alles rausholen und im Bahntraining um jede hundertstel Sekunde kämpfen. Auch habe ich auf der Bahn schon bei allen internationalen Wettkämpfen teilgenommen, ob EM, WM oder die Olympischen Spiele. Irgendwann ist es vom Kopf her eine sehr hohe Belastung, immer mit der gleichen Struktur da heranzugehen. Jetzt habe wieder ein bisschen mehr das Laufen in der Natur für mich entdeckt. Im Marathon-Training hast du andere Geschwindigkeiten und kannst selbst die schnellen Läufe auf Schotterwegen machen. Das ist vom Kopf und von der Muskulatur her leichter. Natürlich ist die Erschöpfung beim Marathontraining auch enorm, aber es ist eher eine ausdauernde Erschöpfung. Beim Bahntraining geht man dagegen komplett an seine Leistungsgrenze, wenn man z.B. auch 400 Meter sprintet und das nicht nur einmal. Der Marathon hat mich jetzt mit den 42 Kilometern vom Kopf her so weit gebracht, dass ich mir vorstellen kann, meine Bestzeit über 10.000 Meter zu verbessern. Das gibt mir einen mentalen Schub.

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SPORT1: Würden Sie denn bei einem Wettkampf noch mal auf die Bahn zurückgehen?

Ringer: Nächstes Jahr sind die Europameisterschaften in München, da wäre es natürlich cool, wenn ich im Marathon eine Medaille gewinnen könnte. Schlecht ist allerdings, dass einen Monat vorher die Weltmeisterschaften in Amerika stattfinden, weil ich nicht zwei Marathons in so kurzer Zeit laufen kann. Deshalb wäre bei der WM vielleicht nochmal die Möglichkeit, 10.000 Meter zu laufen.

SPORT1: Was trauen Sie sich langfristig zu? Ist möglicherweise sogar der deutsche Rekord drin?

Ringer: Ich weiß, dass noch sehr viel Potenzial in den Trainingseinheiten besteht. Ich weiß, was die Konkurrenz trainiert und komme langsam näher in diesen Bereich. Deswegen glaube ich, dass in Zukunft noch viel mehr drin ist. Aber von den Zeiten kann ich jetzt noch kein Limit nennen, weil ich noch lange nicht bei meiner Trainingsgrenze angelangt bin. 

Olympische Spiele "nicht mehr so, wie sie mal waren"

SPORT1: Welches Gefühl haben Sie, wenn Sie auf Tokio blicken?

Ringer: Ich kann nicht sagen, ob die Spiele hundertprozentig stattfinden. Es ist das größte Event der Welt, wo 11.000 Athleten in einem Dorf untergebracht sind – plus die ganzen Betreuer, Physios usw. Das ist heftig. Bei so einer Masse an Leuten ist es sehr schwer, alles einzuhalten. Das ist die einzige Sorge, aber in Corona-Zeiten muss einen nichts mehr überraschen. Man trainiert einfach sein Ding durch und darf sich nicht so viele Gedanken machen. Wenn die Spiele stattfinden, ist alles gut, aber wenn sie nicht stattfinden, dann ist das so. Die Spiele sind leider ohnehin nicht mehr so, wie sie mal waren. Normalerweise tauscht man sich mit den anderen Athleten aus, man bekommt andere Wettkämpfe mit, du bist nicht nur auf deinen eigenen Wettkampf fokussiert. Es ist toll, auch mal was anderes zu sehen und das fällt komplett weg. Auch auf ausländische Zuschauer wird verzichtet. Also auf so viele Unterstützer, die das Ganze erst möglich gemacht haben. Es ist eher wie eine Weltmeisterschaft zu sehen: Man ist in seinem Kreis, es gibt ein internationales Elitefeld, wie es jetzt in Siena auch war, wobei das Tragen des Nationaltrikots natürlich etwas ganz Besonderes ist und man natürlich mehr erreichen kann. (Alles Wichtige zu Olympia)

SPORT1: Sie haben mit dem neuen Asics-Modell jetzt auch einen konkurrenzfähigen Laufschuh. Was glauben Sie, wie viel macht das über die Marathonstrecke aus?

Ringer: In Valencia hatte ich noch einen flachen Schuh an. Wenn ich den vor zwei Tagen angehabt hätte, wäre ich wahrscheinlich 30 Sekunden langsamer gewesen. Aber so genau kann man das nicht sagen, da ich ja die ersten 3 Kilometer erst mal ruhig gelaufen bin.

Amanal Petros? "Das ist Wahnsinn"

SPORT1: Glauben Sie, dass sich die Laufschuhe in der Konkurrenz angeglichen haben?

Ringer: Ja, total. Da haben jetzt alle Marken passable Schuhe. Man kann nicht mehr sagen, dass die Athleten mit einem bestimmten Schuh immer vorne sind, das Training nimmt jetzt wieder eine größere Rolle ein, warum der Sieg dann an diesen Athleten geht. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Schuh und sehe keinen Nachteil.

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SPORT1: Wie sieht es bei Ihnen mit der Corona-Impfung aus? Haben Sie schon einen Termin oder sind Sie schon geimpft?

Ringer: Nein, noch nicht. Wir hatten letzte Woche ein Online Meeting mit dem DOSB. Ob wir Athleten Vorrang genießen können, das wird im Moment noch mit der Politik diskutiert. Die Bundesregierung hat gesagt, bis September will sie jedem Deutschen ein Angebot machen. Da sind aber die Olympischen Spiele vorbei. Es muss jetzt schnell gehen, weil es uns Athleten nichts mehr bringt, wenn man sich im vollen Training kurz vor den Spielen impfen lässt. Ich habe mit anderen Athleten gesprochen, die schon geimpft sind. Einige hatten im Training einen ziemlichen Rückschlag, das hat Ihnen viel Zeit an Training gekostet. Da kann man nicht sagen, man impft sich noch im Juni, das funktioniert nicht mehr. Jeder Körper reagiert anders, manche spüren gar nichts und andere liegen tagelang im Bett. Ich würde mich natürlich freuen, wenn ich jetzt schnell einen Impftermin bekäme. Als Läufer bin ich den Gefahren einer Ansteckung auch mehr ausgesetzt. Ich laufe mit 100 Athleten eine sehr lange Zeit ganz eng zusammen. Da können wir den Abstand nicht wahren. Das geht nur bis zur Startlinie, dass man die Maßnahmen beachtet kann.

SPORT1:  Was sagen Sie zu ihrem Kollegen Amanal Petros, der vor einigen Monaten den deutschen Rekord gelaufen ist, trotz der Unsicherheit um seine Familie? (Petros' Mutter und seine beiden Schwestern galten bis vor kurzem noch an der äthiopisch-sudanesischen Grenze als verschollen, Anm. d. Red.) 

Ringer: Das ist Wahnsinn, wie er mit dieser Unsicherheit umgeht und läuft. Zum Glück hat er im Januar mitbekommen, dass es der Familie den Umständen entsprechend gut geht. Man kann in solch ein Kriegsgebiet nicht einfach hinfliegen und zur Familie hat er auch keinen Kontakt. Da ist kein Internet, da ist nichts. Das ist schon brutal. Ich baue ihn immer auf und frage ihn, wie es ihm geht - vor allem wenn er im Training mal nicht so gut ist. Das ist eine enorme Belastung für den Kopf. Amanal ist ein sehr fröhlicher Mensch. Man bekommt das manchmal nicht mit, wie es dahinter aussieht. Ich hoffe das Beste, dass er bald seine Familie wiedersehen kann. Dann ist sein Kopf auch freier und dann kann er noch schneller laufen.