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Basketball-EM: "Was da passiert, ist eine absolute Explosion"

Experte: „Eine absolute Explosion“

Der ehemalige Nationalspieler und heutige Magenta-Experte Per Günther analysiert im SPORT1-Interview die EM-Chancen der deutschen Basketballer und reagiert auf eine Aussage von Dennis Schröder.
DBB-Kapitän Dennis Schröder ruft den EM-Titel nach dem letzten Vorbereitungsspiel gegen Spanien als klares Ziel aus.
Der ehemalige Nationalspieler und heutige Magenta-Experte Per Günther analysiert im SPORT1-Interview die EM-Chancen der deutschen Basketballer und reagiert auf eine Aussage von Dennis Schröder.

Am Mittwoch beginnt mit dem Spiel gegen Montenegro (ab 15.30 Uhr im LIVETICKER) für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft die Medaillen-Mission bei der Eurobasket 2025.

Als Dritter der vergangenen EM und Weltmeister 2023 gehört das Team des neuen Bundestrainers Alex Mumbrú auch bei den kommenden Titelkämpfen zu den Favoriten.

Der 65-malige Nationalspieler Per Günther traut dem DBB-Team sogar den ganz großen Wurf zu. Auch gegen seinen Topfavoriten Serbien hätten die Deutschen das Zeug zu gewinnen „und Gold mit nach Hause zu nehmen“, sagte der 37-Jährige, der bei der EM als Experte für MagentaSport im Einsatz ist, zu SPORT1.

Im Interview spricht der langjährige Point Guard von ratiopharm Ulm auch über Franz Wagner, den Basketball-Hype in Deutschland und eine brisante Aussage von Dennis Schröder.

SPORT1: Herr Günther, steigen wir gleich mit der Frage ein, die die deutschen Basketball-Fans bewegt. Was ist dem DBB-Team bei der EM zuzutrauen?

Per Günther: Zuzutrauen ist ihnen auf jeden Fall Gold. Sie gehen für mich nicht unbedingt als Top-Favorit ins Rennen. Das ist, wie alle wissen, Serbien. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass die Deutschen alles haben, um auch die Serben in einem möglichen Halbfinale oder Finale zu schlagen und Gold mit nach Hause zu nehmen.

SPORT1: Auch die Mannschaft zeigte sich sehr selbstbewusst und sprach offen vom Wunsch, Gold zu gewinnen. Wäre alles andere als eine Medaille eine Enttäuschung?

Günther: Da würde natürlich auch der Kontext entscheiden. Wenn du ein hartes Los hast im Halbfinale und du spielst gegen die Franzosen, die einen super Tag haben. Es gibt Szenarien, wo du nach Hause gehst und ein gutes Turnier gespielt hast. Es haben ein, zwei Sachen gefehlt und du hast keine Medaille. Aber grundsätzlich gilt: Wenn du dieses Turnier zehnmal simulierst, holt Deutschland acht oder neunmal eine Medaille.

Günther: „Wir haben aktuell absolute Reichtümer“

SPORT1: Wer sind für Sie außer Topfavorit Serbien die härtesten Konkurrenten und auf welchen Spieler freuen Sie sich am meisten?

Günther: Es gibt natürlich vier, fünf Nationen, gegen die du ein Do-or-Die-Spiel auch verlieren kannst. Da ist zuerst einmal Frankreich zu nennen, aber auch die Türkei oder Spanien. Auch wenn sie mit dem einen oder anderen Fragezeichen behaftet sind, sind es Mannschaften, die absolute Weltstars mit dabeihaben. Wir sind mittlerweile in der tollen Situation, dass die besten Spieler der Welt aus Europa kommen. Giannis Antetokounmpo von den Griechen ist einer der fünf besten Spieler der Welt. Nikola Jokic von den Serben ist unangefochten der beste Spieler der Welt. Auch Luka Doncic ist immer noch ein Spieler, der unglaublich viel Spaß macht, auch wenn Slowenien derzeit gar nicht zu funktionieren scheint. Wir haben aktuell absolute Reichtümer im Format der Eurobasket.

SPORT1: Wie wichtig ist es, dass mit Dennis Schröder und Franz Wagner immer mindestens ein Leader auf dem Feld steht? Sie selbst hatten das nach der Niederlage gegen Serbien gefordert.

Günther: Das ist eine Philosophie-Frage. Ich bin ein großer Fan davon, dass es bei so einem FIBA-Turnier nicht viele Zeitfenster gibt, die ohne einem der beiden Stars gestaltet werden. Davon scheint nun auch der Trainer überzeugt zu sein. Er hat es angepasst. Die Minuten ohne einen von beiden sind immer weniger geworden. Angefangen hat es mit 13, 14 Minuten. Das hat mich sehr überrascht. Im letzten Testspiel waren es nur noch 1:30 Minuten. Es scheint, dass der Bundestrainer und ich da nicht mehr so weit auseinanderliegen.

SPORT1: Nun fällt Nationaltrainer Alex Mumbrú im ersten Spiel gegen Montenegro wegen eines akuten Infekts aus. Wie sehr schwächt das ein Team, wenn der Cheftrainer bei einem Spiel fehlt?

Günther: Ich glaube, gar nicht. Ich glaube, das ist fast ein kleiner Vorteil für die Mannschaft. Das schärft die Sinne, man ist noch wachsamer. Alex Mumbrú hat in den letzten vier Wochen allen seine Philosophie weitergegeben. Du hast noch fantastische Assistenztrainer dabei. Ich glaube nicht, dass man viel davon merken wird. Jetzt kommt mit Montenegro eine schwächere Mannschaft, auch wenn man da ein, zwei Gesichter kennt.

SPORT1: Franz Wagner ist für das DBB-Team unverzichtbar, trug aber auch seine Schwäche bei den Dreiern mit durch die Vorbereitung. Könnte das für die Mannschaft im Turnier zum Problem werden?

Günther: Für mich nicht. Wenn man den Dreier von Franz Wagner bespricht, spricht man von Achilles und nicht davon, dass er an 99 Prozent seiner Körperfläche unverwundbar ist. Für die Deutschen ist das nice to have. Wenn Franz seinen Dreier dabei hat, ist er wirklich unverwundbar. Aber er kann das Spiel trotzdem breit machen und zieht ohne Ende Aufmerksamkeit auf sich. Er kommt zu seinen Freiwürfen, er kommt zu seinen Korblegern. Es freut uns, wenn er auch mal einen Dreier trifft. Aber ich glaube nicht, dass es für den Turnierverlauf entscheidend sein wird.

SPORT1: Dazu passt auch, dass David Krämer nicht zur Verfügung steht. Sie kennen ihn noch aus gemeinsamen Zeiten in Ulm. Wie geht er mit diesem Rückschlag um?

Günther: In der Vision von Mumbrú, wie die Mannschaft für das Turnier aussehen soll, steckt auch viel von Krämer. Ihm persönlich wäre eine Teilnahme natürlich auch zu wünschen gewesen. Im Weltmeisterjahr war er dabei, auch wenn er nicht viele Minuten bekommen hat. Bei Olympia ist er vor dem Turnier gecuttet worden. Im nächsten Jahr ist kein Turnier. Man hatte also das Gefühl, als ob David Krämer in diesem Jahr so richtig in die Mannschaft stoßen kann. Sein Fehlen hinterlässt natürlich eine Lücke. Du hättest Andi Obst bei den Dreiern nahtlos mit ihm ersetzen können. Es tut schon ein bisschen weh.

SPORT1: Die Personalie Krämer hat zu Irritationen geführt, weil sein zukünftiger Klub Real Madrid ihn als verletzt gemeldet hat. Der DBB war aber der Meinung, dass er während des Turniers noch fit geworden wäre. Was halten Sie von dieser Gemengelage?

Günther: Das ist für mich nicht so spektakulär. Deutschland sagt, es könnte zehn Tage dauern. Dann wäre er gegen Ende der Vorrunde eventuell gerade noch reingerutscht. Spanien sagt, es sind eher 18 Tage. Dann ist das Turnier vorbei, wenn er fit ist. Sie sind also nicht so weit auseinander, zumal man es bei einer Muskelverletzung sowieso nicht so genau sagen kann. Sollte Deutschland auf Spanien irgendwann treffen und verlieren, machen wir das Fass noch mal auf (lacht).

Günther: „Tristan da Silva könnte richtig ausbrechen“

SPORT1: Wer könnte aus deutscher Sicht zum X-Faktor werden, den derzeit noch nicht jeder auf dem Zettel hat - so wie es bei der WM Andi Obst war?

Günther: So richtig ausbrechen könnte ja nur ein neues Gesicht. Das wäre für mich Tristan da Silva. Er hat so viele Qualitäten und das Zeug dazu, sich in so ein bestehendes Konstrukt mit einzufügen – durch seine Ruhe, durch seinen Wurf, durch seine Coolness auf dem Feld.

SPORT1: Sie waren selbst Nationalspieler. Wie sehr freut Sie der aktuelle Basketball-Hype in Deutschland?

Günther: Es ist großartig, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Die Bronzemedaille bei der Eurobasket 2022 war fast eine Sensation und jetzt sage ich, zu 90 Prozent geht Deutschland mit einer Medaille nach Hause. Dazwischen liegen nur drei Jahre. Was da passiert, ist eine absolute Explosion. Da kommt auch unglaublich viel nach. Im Idealfall reiten wir diese Basketball-Welle in Deutschland über die nächsten zehn, 15 Jahre. Das sind fantastische Aussichten.

Günther: „Schröder ist zu einem deutschen Sporthelden geworden“

SPORT1: Zu diesem Hype maßgeblich beigetragen hat Dennis Schröder. Der Kapitän fühlt sich in Deutschland aber offensichtlich nicht genug wertgeschätzt. Vor einer Woche hatte er sich im Stern mit der Aussage zu Wort gemeldet, er werde in Deutschland aufgrund seiner Hautfarbe nicht so geliebt wie Dirk Nowitzki. Wie beurteilen Sie dieses Statement?

Günther: Wenn man sich diese Aussage nur kurz ansieht, denkt man, da werden ein Stück weit Äpfel mit Birnen verglichen. Nowitzki hat 21 Jahre in der NBA gespielt und ist immer der deutsche Vorzeigestar gewesen. Er hatte keine Skandale, ist ein unfassbar toller Mann. Wir haben ihn geliebt. So ist die Wahrnehmung. Was die NBA-Karrieren angeht, kann der Unterschied extremer nicht sein. Nowitzki war 21 Jahre bei dem gleichen Verein – und Dennis ist jetzt beim zehnten NBA-Verein. Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man, was Dennis für die Basketballstadt Braunschweig und für die deutsche Nationalmannschaft geleistet hat. Er ist immer engagiert, spielt immer. Wir müssen uns ermahnen zu realisieren, was für unglaubliche Sachen er für den deutschen Basketball geschaffen hat. Zweitens wollte er meiner Meinung nach nur den Fahnenträger Nowitzki mit dem Fahnenträger Schröder vergleichen. Meine erste Reaktion war auch, das liegt doch nicht an der Hautfarbe, sondern an der basketballerischen Klasse. Aber das ist auch zu einfach. Die Wahrheit ist schon auch, dass es Kommentarspalten gibt, wo man etwas Grausames lesen muss. Das gehört auch dazu. Das Letzte, was ich tun werde, ist jemandem mit dunkler Haut zu sagen, wie sich was anfühlt. Allein durch das, was er bei der WM 2023 geleistet hat, ist er zu einem deutschen Sporthelden geworden. Ich hoffe, dass er das auch so spürt.