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2. Bundesliga: Abrechnung einer Vereinslegende - Schatzschneider zählt Hannover-Trainer Leitl an

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2. Bundesliga: Abrechnung einer Vereinslegende - Schatzschneider zählt Hannover-Trainer Leitl an

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Abrechnung einer Vereinslegende

Dieter Schatzschneider ist Rekordtorschütze von Zweitligist Hannover 96. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht er über seine Abneigung zu Coach Stefan Leitl, dem „Krieg“ bei 96 - und ob der HSV aufsteigen kann.
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Reinhard Franke
Reinhard Franke

Dieter Schatzschneider ist eine Legende bei Hannover 96 und der Rekordtorschütze des Vereins. Der frühere Stürmer war mit 153 Toren auch lange der erfolgreichste Torschütze der 2. Bundesliga, ehe er im November 2021 von Schalkes Simon Terodde übertroffen wurde.

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Vor dem Topspiel am Samstagabend zwischen den Niedersachsen und dem Hamburger SV (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) nimmt sich Schatzschneider im exklusiven SPORT1-Interview 96-Trainer Stefan Leitl zur Brust. Zudem spricht der 65-Jährige über sein Jahr beim Hamburger SV.

SPORT1: Herr Schatzschneider, sind Sie am Samstagabend im Stadion?

Dieter Schatzschneider: Ja. Momentan fahre ich nur nicht mehr auswärts mit, weil ich mich da zu sehr über die Spielweise aufrege.

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SPORT1: Passt Ihnen die Spielweise von Herrn Leitl nicht?

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Schatzschneider: Ich habe nichts dagegen, wie wir Fußball spielen. Mir passt seine Art nicht. Der Disput mit Herrn Kind gefällt mir gar nicht. So etwas ist mir als Fußballer völlig fremd und das habe ich noch nie erlebt. Wenn der Chef früher etwas gesagt hat, dann wurde das so gemacht oder angenommen. Es wurde daran nicht rumgemäkelt. Es geht einfach nicht, dass Leitl jetzt öffentlich versucht, Herrn Kind die Schuld zu geben. Keine Frage, das Wort „Krieg“ von Herrn Kind gehört sich nicht. Aber ansonsten hat er zu 100 Prozent recht. Das sagen auch Experten und Fans. Es ist keine Weiterentwicklung zu erkennen. Dass Leitl nicht mal mit Kind sprechen will, ist unerhört. Ich bin schockiert.

„Krieg“ bei Hannover 96?

SPORT1: Das sind deutliche Worte. In welchem Zusammengang hat Herr Kind das Wort „Krieg“ in den Mund genommen?

Schatzschneider: Herr Kind meinte, es würde „Krieg“ geben, wenn er sich ganz offen darüber auslassen würde, warum keine Weiterentwicklung zu erkennen ist. Das Wort „Krieg“ hat im Sport nichts verloren, das weiß Herr Kind auch. Er will nur gewinnen und Erfolg haben. Aber man muss zumindest mal miteinander reden.

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SPORT1: Warum ist Herr Leitl noch im Amt? Normalerweise würde Herr Kind einen Trainer rausschmeißen, der sich ihm gegenüber so verhält, oder?

Schatzschneider: Vor zehn Jahren sicherlich. Aber ich glaube, dass Herr Kind dieses Projekt, das man angefangen hat, fortsetzen will. Leitl wird auch im Falle einer Niederlage am Samstag im Amt bleiben. Man wollte sich aber von Jahr zu Jahr steigern, wie es auch beim HSV der Fall war. Bei 96 ist das aber leider nicht zu erkennen. Das hat Herr Kind gesagt, und ich finde es legitim, dass man rechtzeitig den Mund aufmacht. Nicht erst, wenn schon alles zerbrochen ist.

Stefan Leitl ist seit 2022 Trainer von Hannover 96
Stefan Leitl ist seit 2022 Trainer von Hannover 96

SPORT1: Aber mit einem Sieg gegen den HSV könnte Hannover 96 am Samstag im besten Fall Tabellenführer werden. Sportlich passt es doch…

Schatzschneider: Ein Mittelstürmer, wird daran gemessen, dass er Tore schießt. Und so ist es auch mit einem Trainer. Wenn er nicht mit dem Boss sprechen will, muss er gewinnen. Wir reden hier nicht von Siegen gegen die besten Teams der Liga. Bisher haben wir gegen Klubs gespielt, die ich eher in der zweiten Tabellenhälfte sehe. In der nächsten Saison wollen wir gerne aufsteigen. Aber so werden wir es nicht schaffen.

Schatzschneider: „Ich bin entsetzt über diese Art“

SPORT1: Dass sich ein Trainer so gegenüber dem Chef verhält, gab es das schon einmal bei Hannover 96?

Schatzschneider: Zumindest selten. Für mich ist das ein Unding und ich sehe das ungern. Dass sich dieser Mann (Trainer Leitl, Anm. d. Red.) dann noch einen Verbündeten bei der Zeitung mit den vier Buchstaben holt, ist ein No-Go. Ich bin entsetzt über diese Art.

SPORT1: Kommen wir zum Topspiel am Samstag. Das ist gefühlt Bundesliga…

Schatzschneider: Absolut. Ich glaube, das wird ein hochinteressantes Spiel. HSV-Trainer Tim Walter hatte ähnliche Probleme wie wir bei 96, aber er hat sich da durchgebissen und die Kritik angenommen. Zudem hat Walter mit Jonas Boldt (Sportvorstand des HSV, Anm. d. Red.) einen guten Mann, der zu ihm hält. Beim HSV haben sie das wirklich toll gemacht. Ich finde Walter nicht sympathisch, aber er hat den Laden im Griff. Und der Fußball, den er spielen lässt, ist begeisternd. Ich kann verstehen, dass die Fans gerne ins Volksparkstadion gehen. Diese Power muss man erstmal suchen in der 2. Liga. Im Auftaktspiel hätte Schalke gegen den HSV auch höher verlieren können.

„Glatzel ist die Achillesferse des Klubs“

SPORT1: Dass sich ein Stürmer wie Robert Glatzel trotz besserer Optionen zum HSV bekennt, zeigt auch, dass es dort stimmt?

Schatzschneider: Ganz genau. Er hat Bock auf den HSV. Man muss aber auch sagen, dass Glatzel die Achillesferse des Klubs ist. Man hat keinen richtigen Ersatz für ihn. Wenn man meint, man könne sich so durchwurschteln, ist das gefährlich. Es ist genug da vom Kühne-Geld (Investor Klaus-Michael Kühne, Anm. d. Red.) und man braucht noch einen guten Backup für Glatzel. Der HSV hat schon eine tolle Mannschaft. Sie haben es jetzt fünf Jahre nicht geschafft aufzusteigen, in dieser Saison werden sie es schaffen. Ich bin da ganz sicher.

SPORT1: Tim Walter hat kein gutes Image. Sie haben schon durchklingen lassen, dass Sie ihn nicht sympathisch finden.

Schatzschneider: Mir geht es nicht um die Interviews, die er gibt. Es geht vielmehr um seine Gestik und das Verhalten am Spielfeldrand. Tim Walter hat eine gewisse Arroganz. Aber - und das ist ganz entscheidend - er liefert. Von Jahr zu Jahr ist dieser HSV stärker geworden. Seine Spieler geben alles für ihn und Walter hat ein starkes Team geformt.

SPORT1: Sie waren 1983/1984 auch eine Saison beim HSV. In 38 Spielen haben Sie 17 Tore geschossen. Sie blicken Sie zurück auf das eine Jahr beim HSV?

Schatzschneider: Menschlich war es nicht leicht, weil ich schwierig war. Die anderen waren auch schuld, aber die Hauptschuld hatte ich. Ich dachte, ich bin der König, doch es gab schon andere Könige beim HSV. Da musste ich mich erst wieder hoch arbeiten. Das ist mir nicht gelungen. Aber ich hatte mit Ernst Happel einen der besten Trainer der Welt. Es gab damals viele schlaue Jungs beim HSV wie Felix Magath. Es war für mich alles in allem ein gutes Jahr, in dem ich sehr viel gelernt habe.

Macht Leitl etwas falsch?

SPORT1: Ihre 96er belegen aktuell Platz acht. Zu wenig für Sie?

Schatzschneider: Ich bin unzufrieden, genau wie Herr Kind. Zu 100 Prozent unzufrieden. Ich habe mir einfach mehr erwartet. Leider sind genau da, wo wir Ende November 2022 auch waren. Dann kam diese ernüchternde Rückrunde. Wir haben uns bis heute nicht vom Fleck bewegt.

SPORT1: Was macht Leitl falsch?

Schatzschneider: Ich könnte jetzt ausholen, aber das werde ich nicht machen. Es wäre zu viel Klugscheißerei von mir. Wenn Leitl gewinnt, ist alles in Ordnung. Dann darf er auch sagen „Schatzschneider und Kind haben keine Ahnung“. Das gestatte ich ihm. Ich wüsste, was ich ändern würde.

SPORT1: Gab es mal ein persönliches Gespräch zwischen ihnen?

Schatzschneider: Nein!

Dieter Schatzschneider (l.) und Martin Kind auf der Tribüne im Hannoveraner Stadion
Dieter Schatzschneider (l.) und Martin Kind auf der Tribüne im Hannoveraner Stadion

„Die Offensive ist okay“

SPORT1: Sie sind Rekordtorschütze bei Hannover 96. Was sagen Sie zur Offensive bei den Roten? 6:5 lautet das Torverhältnis.

Schatzschneider: Die Offensive ist okay, wir haben nur zu wenig Tore aus dem Spiel heraus geschossen. Sehr viele Elfmeter, sehr viele Standards. Beim HSV wirkt alles homogener. Sie haben Sonny Kittel verloren, aber dennoch herrscht eine Leistungsbereitschaft.

SPORT1: Die ist im Fußball nicht immer gegeben…

Schatzschneider: Jeder will immer viel Geld verdienen. Aber kritisieren darf man die Trainer und Spieler natürlich nicht. Es ist Fußball, da geht es um Leistung. Wenn ich ins Stadion gehe, will ich, dass 96 gewinnt. Das darf ich erwarten. Mich ärgert immer, dass man nichts mehr sagen darf. Da spielt jemand ein schlechtes Turnier und der Trainer oder die Trainerin werden nicht entlassen. Wir fördern diese Gutmenschen und die Theoretiker im Sport. Von denen haben wir leider zu viele. Wir müssen auch mal fordern und ich finde es gut, dass Herr Kind fordert.

SPORT1: Was fordern Sie von Leitl?

Schatzschneider: Sprechen hilft immer. Er sollte nicht nur sagen, „Herr Mann (96-Sportdirektor Marcus Mann, Anm. d. Red.) ist mein Ansprechpartner“. Telefonieren ist nicht so schwer in der heutigen Zeit.

SPORT1: Kann es in dieser Saison etwas werden mit dem Aufstieg für 96?

Schatzschneider: Nein. Im Winter sagte ich zu Herrn Kind: „Wir müssen eine Frage klären, warum ist in der Elf des Spieltags vier, fünf Mal unser bester Mann unser Torwart?“ Ron-Robert Zieler war damals der Garant für die 25 Punkte in der Rückrunde. Es müssen viele Dinge auf dem Platz geklärt werden. Unsere Mannschaft ist gut zusammengestellt, aber es fehlt ein Knipser wie Terodde oder Glatzel. Teuchert ist gut, aber er macht nur Elfmeter-Tore. Und einen dreckigen Sechser könnten wir auch noch gebrauchen. Dann könnte man über den Aufstieg nachdenken. Aber aktuell müssen wir anders auftreten.