Klopp ist „Imageschaden sch***egal“
Am Dienstag wurde Klopp vor über 200 Medienvertretern offiziell als Head of Global Soccer bei Red Bull in Salzburg vorgestellt. Guido Schäfer kickte einst beim 1. FSV Mainz 05 zusammen mit Klopp. Im SPORT1-Interview ordnet der RB-Leipzig-Experte und ehemalige Wegbegleiter von Klopp die Situation ein.

SPORT1: Sie haben Jürgen Klopp auch vor seiner Vorstellung am Freitag getroffen. Welchen Eindruck macht er denn im Moment auf Sie?
Guido Schäfer: Er ist tiefenentspannt, das ist der gute Jürgen. Ich habe ihn gefragt, ob er nur noch an Salatblättern lutscht und Elektrolyte trinkt. Der ist unglaublich zartgliedrig geworden. Der war früher auch ein wenig angedickt, also so drahtig wie momentan habe ich ihn noch nie gesehen. Er sagte mir, dass er jeden Tag Sport macht und er bereit ist für große Aufgaben. Die steht ihm auch bevor bei Red Bull.
„Klopp kann nasse Handtücher anzünden“
SPORT1: Er ist auf alle Fälle gut unterwegs und ist jetzt offiziell Head of Global Soccer bei Red Bull. Was reizt ihn denn als ein Mann, der als Trainer bereits alles erreicht hat, an diesem Job?
Schäfer: Jürgen ist ein ‘Globetrotter‘, der reist offensichtlich gern durch die Welt und ich glaube, er hat gestern auch bei der Pressekonferenz das Richtige gesagt. Nach über 1000 Pflichtspielen an der Seitenlinie will er raus aus diesem Hamsterrad. Er will keine Spiele mehr vor- oder nachbereiten. Er will raus aus dem Tagesgeschäft Fußballtrainer. Da ist der neue Job als Head of Global Soccer natürlich optimal mit diesen Bereichen und den verschiedenen Fußballstandorten von Red Bull. Er gibt schlaue Ratschläge, hilft und er sagt auch: „Ich bin nicht da, um die Welt zu verändern, aber ich war auch noch nie in meinem Leben nur Passagier.“ Er will schon etwas gestalten und ich glaube, dass er das auch tun wird. Bei Red Bull sind sie natürlich total happy, dass jetzt einer da ist mit einem großen Herzen. Die, die bei der Dose arbeiten sind so ein bisschen als kaltfischig verschrien, aber Jürgen Klopp hat ein goldenes Herz.
SPORT1: Er dient dann eben auch so ein bisschen als Aushängeschild. Was sind vor allem seine Stärken und wo wird die größte Herausforderung für ihn liegen?
Schäfer: Jürgen Klopp kann nasse Handtücher anzünden, das sind seine Stärken. Das hat mal jemand gesagt. Wenn Menschen in einem Raum schlecht gelaunt sind und Jürgen Klopp betritt den Raum, dann sind die danach alle super drauf und folgen ihm. Er ist ein Menschenfänger im positiven Sinn. Ich habe ihm mal entgegen geschleudert, das Schönste, was man über ihn sagen kann, ist, dass er sich trotz seiner Prominenz tief in seinem innersten überhaupt nicht verändert hat. Die wichtigste Bildung, die es gibt, ist die Herzensbildung. Das ist natürlich wichtig in dem Job, den er da hat. Er ist praktisch Familienoberhaupt der wachsenden Fußballfamilie von Red Bull. Das kann er, da ist er richtig gut. Er bringt sich ein und ich glaube Oliver Mintzlaff hat ihn auch deswegen verpflichtet. Der weiß auch, dass Jürgen nicht durch Handauflegen jetzt RB Leipzig zum Meister macht. Aber Jürgen Klopp kennt die Schritte, die zu machen sind. Er ist mit Borussia Dortmund 2011 und 2012 Meister geworden. Nicht, weil sie den besten Kader hatten, sondern weil sie mehr Lust und mehr Gier hatten auf den Titel. Die sind für den Titel mehr gelaufen als die Bayern. Sowas kann ich mir auch bei RB Leipzig vorstellen, dass man durch mehr Leidenschaft und bessere Entscheidungen bei der Talentsichtung den Bayern ein Schnippchen schlägt und vielleicht irgendwann in 100 Jahren Meister wird.
Klopp als Meistermacher von Leipzig?
SPORT1: Wo könnte eine Hürde oder Schwierigkeit für Jürgen Klopp liegen?
Schäfer: Wenn RB Leipzig viermal verloren hat, schreit alles nach Jürgen Klopp. Was würde Jürgen Klopp jetzt machen? Setzt er sich demnächst selbst auf die Bank? Wenn in Salzburg was nicht läuft, wird Jürgen Klopp auch wahrscheinlich thematisiert. Er sagt selbst: „Lasst mich mal im Hintergrund arbeiten und mal meine Wirkung entfalten.“ Ich glaube, dass das natürlich ein großer Vorteil ist. Wenn RB Leipzig beispielsweise mit einem Spieler wie Xavi verlängern will, jemand neuen holen will oder verhindern will, dass einer geht, dann tut es natürlich gut, wenn Jürgen Klopp sich mit aufs Sofa setzt. Bei Xavi beispielsweise oder wenn er irgendwann mal perspektivisch zu Mo Salah sagt: „Hier Mo, Leipzig ist geil. Besseres Wetter als in Liverpool.“ Also ich glaube schon, dass Oliver Mintzlaff in seinem Hinterkopf natürlich das Dickschiff RB Leipzig vor allem im Fokus hat, da er damit irgendwann mal Titel holen möchte. Und da ist Jürgen Klopp natürlich der richtige Mann. Er weiß, wie das geht.
SPORT1: Macht es ihm selbst wirklich gar nichts aus, dass sein Image in der öffentlichen Wahrnehmung unter diesem Engagement leidet?
Schäfer: Das ist ihm sch***egal. Das ist ihm völlig wumpe. Jürgen war jetzt so lange fremdgesteuert, ich glaube 23 oder 24 Jahre am Stück Trainer. Er musste so viel Termine wahrnehmen, die nicht alle auf seinen Mist gewachsen sind, hunderttausende Pressekonferenzen besuchen und auch dümmliche Fragen von Menschen wie von mir beantworten. Er ist sein eigener Herr und er sagt: „Mich fragt keiner, wie es mir gegangen ist, was ich für einen Stress hatte und deswegen frage ich auch jetzt niemanden, sondern nur mich und mein Herz. Ist das der richtige Job und die richtige Herausforderung? Übrigens hat er auch nie so getan, als wenn er nicht wüsste, was man mit Geld anfängt. Werbe-Ikone ist er auch, also der weiß schon, wie es geht. Er war nie der Traditionsfan, der nur Traditionsvereinen hinterherhechelt, auch wenn er jetzt bisher nur Traditionsvereine trainiert hat. Jürgen Klopp hat man da etwas aufoktroyiert oder zugedichtet, dass er so ist. Jürgen ist ein toller Typ, er liebt den Fußball, aber er weiß auch, dass es ohne Geld nicht geht. Wenn er ein bisschen Geld hat - und das hat er ja jetzt offensichtlich – und dann noch die richtigen Entscheidungen trifft zusammen mit seinen Mitstreitern mit Mario Gomez, Marco Rose oder Sandro Schwarz, dann kann da Großartiges entstehen.
Bundestrainer? „Nicht in diesem Leben“
SPORT1: Hegt Jürgen Klopp tatsächlich nicht den Wunsch, selbst Bundestrainer zu werden?
Schäfer: Nein, niemals.
SPORT1: Warum?
Schäfer: Julian macht das klasse, das ist ein super Typ. Ich habe ihn in Leipzig kennengelernt, da er zwei Jahre hier bei RB Leipzig trainierte. Wir haben heute noch Kontakt und er antwortet auch auf SMS. Das ist eine Leistung an sich. Wer ist schon Guido Schäfer? Wer meldet sich noch, der Julian. Julian macht das sensationell. Als Jürgen Klopp aufgehört hat, war mir völlig klar, dass der nie mehr irgendwo Trainer sein wird. Der will das nicht mehr, das hat er lange genug gemacht. Julian muss sich keine Gedanken machen. Außerdem macht er einen glänzenden Job. Wenn Julian irgendwann mal in 10 Jahren aufhört, dann ist er immer noch erst 30 oder 35 (lacht). Dann schreit natürlich die ganze Republik nach Jürgen Klopp und dann wird er sagen: „Nein, meine Freundinnen und Freunde, ich bleib schön bei den roten Bullen. Ich will auch meinen Guido ab und zu in Leipzig sehen.“ Bundestrainer Jürgen Klopp? Nein, nicht in diesem Leben.