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VAR-Streitgespräch zwischen Hummels und Ittrich: "Auf Fußball passt keine Schablone"

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VAR-Streitgespräch zwischen Hummels und Ittrich: "Auf Fußball passt keine Schablone"

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“Auf Fußball passt keine Schablone”

Es ist eine wohl nie endende Diskussion: Seit der VAR in der Saison 2017/18 in der Bundesliga eingeführt wurde, wird über ihn gestritten. Jetzt beziehen Mats Hummels und Schiedsrichter Patrick Ittrich Stellung.
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Es ist eine wohl nie endende Diskussion: Seit der VAR in der Saison 2017/18 in der Bundesliga eingeführt wurde, wird über ihn gestritten. Jetzt beziehen Mats Hummels und Schiedsrichter Patrick Ittrich Stellung.

Wenn etwas nicht passt, dann werden diese Dinge knallhart angesprochen. Dafür steht Mats Hummels wohl wie kein Zweiter - vor allem, wenn es um Entscheidungen der Schiedsrichter geht. In einem Spiegel-Interview diskutierte der BVB-Verteidiger nun mit Patrick Ittrich leidenschaftlich darüber, wie sich die Rolle der Unparteiischen verändert hat. Dabei im Fokus: Der Videobeweis.

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Denn seit der VAR in der Saison 2017/18 in der Bundesliga eingeführt wurde, haben sich die Debatten um dieses Hilfsmittel der Schiedsrichter nie beruhigt. Oft dauern Eingriffe schlichtweg zu lang und scheinen den Fußball eher komplizierter als einfacher zu machen, zu groß sind die Graubereiche in vielen Fällen. Außerdem werden längst nicht alle klaren Fehlentscheidungen ausgemerzt - zahlreichen Fans und Spielern ist das ein Dorn im Auge.

Wie Ittrich betonte, sei er trotzdem glücklich darüber, dass es den Videoassistenten mittlerweile gibt: „Wenn ich dicke Böcke baue, freue ich mich, wenn mir geholfen wird. Auf den Trainerbänken gibt es mittlerweile Tablets, alle haben die Bilder, da kann es nicht sein, dass ich der einzige Blödmann bin, der sich nichts noch mal anschauen kann.“ Doch seine Arbeit, das offenbarte er direkt, habe sich seit der Einführung tatsächlich leicht verändert.

Früher habe man sich als Schiedsrichter über Jahre so etwas wie ein Bauchgefühl angeeignet, schilderte Ittrich: „Ich sehe einen Zweikampf, bewerte ihn auch aufgrund meiner Erfahrung mit vergleichbaren Szenen und entscheide dann. Und wenn ich mir nicht sicher bin, lasse ich weiterspielen. Der Videoassistent hat dazu geführt, dass man sich vielleicht etwas weniger auf dieses Bauchgefühl verlässt.“ Eine Tatsache, die Hummels kritisiert.

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„Schiedsrichter verlassen sich zu sehr auf die Hilfe“

Im Frühjahr hatte der Weltmeister von 2014 nach einem Champions-League-Spiel in Eindhoven gesagt, dass der Videobeweis die Schiedsrichter schlechter gemacht habe. „Mir geht es nur um Zweikämpfe und Handspiel, bei Abseits finde ich die Entwicklung weltklasse. Ich habe oft das Gefühl, dass Entscheidungen getroffen werden, von denen die Schiedsrichter selbst nicht überzeugt sind. Das Video wird schon die richtige Antwort liefern. Die Schiedsrichter verlassen sich zu sehr auf die Hilfe“, erklärte er nun.

Auch Ittrich erkannte ein generelles Problem: „Die Macht der Bilder. Ich sehe im Spiel einen Zweikampf und sage sofort, das reicht mir nicht für einen Foul-Pfiff. Dann werde ich rausgeschickt und sehe einen ganz klaren Fußtreffer. Es ist wahnsinnig schwer, sich von diesem Bild zu lösen.“

Durch die vielen Kameraperspektiven sei plötzlich jeder Kontakt gleich ein Foul, fügte Hummels hinzu. „Davon müssen wir ganz schnell wieder weg. Ein Kontakt ist noch lange kein Foul.“

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„Wir Schiedsrichter bewerten aber nicht nur das Standbild. Wir schauen uns den Ablauf mit der gesamten Dynamik an“, entgegnete Ittrich. „Das Problem ist, dass wir uns einheitliche Bewertungen wünschen. Aber das ist schwierig. Heute gebe ich Rot, drei Wochen später fällt bei einer ähnlichen Szene vielleicht eine andere Entscheidung, die aber ebenso vertretbar sein kann.“ Hummels reagierte direkt: „Davon muss man sich als Regelgeber oder Schiedsrichter freimachen. Auf Fußball passt keine Schablone.“

Hummels: „Da könnte ich kotzen“

Was Hummels besonders störe, seien Regelauslegungen, die nicht fußballnah sind. „Und da wären wir jetzt bei meinem Lieblingsthema: Handspiel. Für mich gibt es gerade viel zu viele Handelfmeter“, sagte er. Für ihn müsse bei einem Handspiel immer exakt das gleiche Kriterium gelten. Es sei ein Unterschied, ob der Ball mit der Hand berührt oder gespielt werde.

„Fußball ist eine Bewegungssportart, die Arme schwingen ganz natürlich mit. Bei einem Schuss geht der Arm mit. Es gibt für mich fast keine Handspiele im Fußball. Wenn ich pfeifen würde, gäbe es in einer Saison weniger als zehn Handelfmeter“, beklagte Hummels: „Wenn ich nach hinten zum Kopfball springe, der Gegenspieler köpft an den Arm und es gibt Elfmeter: Da könnte ich kotzen. Wer hochspringt, nimmt seine Arme automatisch mit hoch.“

Dass es im Regelwerk den Begriff „natürliche Handbewegung“ gibt, sei prinzipiell richtig, nur werde dieser falsch interpretiert. Ittrich stimmt Hummels sogar zu und erklärte: „Als ich früher im Hinterhof Fußball gespielt habe, war es nur Hand, wenn du den Ball gefangen hast. Als Schiedsrichter kann ich mich aber nicht gegen die Regel stellen.“

Ob deswegen eine Challenge, bei der Trainer zweimal pro Spiel oder pro Halbzeit die Möglichkeit haben, einen Videobeweis einzufordern, sinnvoll wäre?

Challenge als Videobeweis? „Gar nicht so einfach“

„Könnte man sicher mal ausprobieren. Dann bräuchte es aber eine Regeländerung. Ich gebe dir ein Beispiel: Foulspiel im Strafraum, der Ball rollt ins Toraus, ich lasse weiterspielen und der Torwart bringt den Ball schnell zurück ins Spiel“, sagte Ittrich zu Hummels und fragte ihn: „Mit Fortsetzung des Spiels darfst du im Fußball keine Spielstrafe mehr geben. Wann darf der Trainer also die Challenge nehmen?“

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Ein bisschen Bedenkzeit wäre „schon gut“, antwortete der Abwehrspieler. Ittrich glaubt zudem, dass 70 Prozent der Trainer das gar nicht wollen. „Denn die Verantwortung verlagert sich dann. Und am Ende muss ich entscheiden - und diese Entscheidung kann trotzdem anders ausfallen, als es der Trainer sieht. Ich finde das in der Umsetzung gar nicht so einfach“, gab der Schiedsrichter zu bedenken.

Letztlich machte Ittrich aber deutlich, dass der Fußball auch mit der aktuellen Form des VAR gerechter geworden ist: „Sagen wir mal, wir haben 100 Fehlentscheidungen in einer Saison. 90 davon korrigieren wir, dann gibt es ein paar im Ermessensbereich, und bei einer oder zwei Entscheidungen passiert trotzdem ein menschlicher Fehler.“