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Sepp Maier: "Das könnte zur Gefahr werden für Bayern"

„Das könnte zur Gefahr werden für Bayern“

Beim FC Bayern läuft es in dieser Saison hervorragend, entsprechend gut ist die Stimmung über die Weihnachtstage. Torwart-Legende Sepp Maier blickt bei SPORT1 auf das erste Halbjahr des Rekordmeisters zurück.
Max Eberl hat verkündet, dass der FC Bayern im Winter keine Verpflichtungen neuer Spieler plant. Größte Priorität genieße aktuell die Verlängerung von Dayot Upamecano.
Beim FC Bayern läuft es in dieser Saison hervorragend, entsprechend gut ist die Stimmung über die Weihnachtstage. Torwart-Legende Sepp Maier blickt bei SPORT1 auf das erste Halbjahr des Rekordmeisters zurück.

Liebe Freunde, liebe Fußballfans,

wenn ich auf dieses Fußballjahr zurückblicke, lande ich zwangsläufig immer wieder bei einem Namen: Manuel Neuer. Und ich sage es gleich zu Beginn deutlich: „Über Manu diskutiert man nicht – er ist die Lösung.“ Torwart zu sein ist für Manuel kein Beruf – es ist eine Lebensaufgabe. Und genau so lebt er sie. Bis heute.

Beim FC Bayern war Manuel Neuer auch in diesem Jahr mehr als nur Teil des Kaders. Er war Fixpunkt, Führungsspieler und Beruhiger in unruhigen Zeiten. Wenn es gebrannt hat, war er da. Wenn es laut wurde, blieb er ruhig. Und aus meiner Sicht hat er eine Entscheidung getroffen, die man nur respektieren kann: volle Konzentration auf den FC Bayern.

Neuer: Keine Rückkehr ins DFB-Team

Wer Manu kennt, weiß: Wenn er so entscheidet, dann ist das endgültig. Eine Rückkehr in die Nationalmannschaft wird es nicht mehr geben. Punkt. Diese Dauerschleife an Diskussionen kann man jetzt beenden – sie führt nirgendwohin.

Dass Manuel nach dieser schweren Verletzung überhaupt wieder auf diesem Niveau spielt, ist keine Selbstverständlichkeit. Schon gar nicht auf der Torwartposition. Aber er hat gezeigt, warum er über Jahre der Maßstab war. Er hat Spiele entschieden, Verantwortung übernommen und sich nie versteckt. Genau das macht Größe aus.

Und ich sage es bewusst provokant: Wäre Manuel Neuer fit und in Topform, dann wäre er auch für die Nationalmannschaft eine Option – nicht aus Sentimentalität, sondern aus Leistungsdenken. Erfahrung im Tor ist kein Makel. Sie ist ein Vorteil. Und die kann man sich nicht antrainieren.

Kompany ist die 1a-Lösung

Mindestens genauso spannend war für mich in diesem Jahr die Trainerfrage beim FC Bayern. Vincent Kompany – ein Name, bei dem viele zunächst gezuckt haben. Auch ich habe genauer hingesehen. Und dann erkannt: Das funktioniert.

Er hat in kurzer Zeit überzeugt. Und darüber freue ich mich besonders für Max Eberl, der diesen Mut bewiesen hat. Über ihn wurde ja auch schon wieder diskutiert. Aber Eberl hat es den Kritikern und Schlaumeiern gezeigt. Solche Entscheidungen wie die Trainer-Verpflichtungen brauchen Rückgrat. Kompany ist die 1a-Lösung: Er bringt eine klare Idee, moderne Führung und eine Autorität mit, die nicht aus Phrasen besteht, sondern aus eigener Erfahrung. Mir gefällt Kompanys Klarheit einfach.

Und ganz ehrlich: Die Journalisten müssen wieder arbeiten. Die Zeit der endlosen Erklärungen und Rechtfertigungen wie unter Thomas Tuchel ist vorbei.

Ob das langfristig trägt, wird man sehen – aber aktuell geht diese Rechnung voll auf. Kompany und Bayern, das passt. Und Bayern war immer dann am stärksten, wenn man Neues zugelassen hat, ohne sich selbst zu verleugnen.

Nagelsmann hat Karls Nummer

Ein Name, den man sich merken muss, ist Lennart Karl. Für mich ein echter Senkrechtstarter. Der Hype um Karl ist riesengroß. Das könnte zur Gefahr werden für Bayern. Man muss den Jungen schützen, aber auch nicht abschotten. Jung, mutig, ehrgeizig – aber mit Respekt vor dem Trikot. Einer, der keine Angst hat, sondern Lust auf Verantwortung.

Genau solche Spieler braucht der FC Bayern wieder öfter. Jungs, die nicht nur für den Verein spielen, sondern ihn fühlen. Julian Nagelsmann hat sich längst die Nummer von Karl besorgt. Das ist kein Zufall, das ist Anerkennung. Zur Transferpolitik sage ich ganz offen: Nicht jeder große Name ist automatisch ein guter Transfer.

Dass ein Florian Wirtz nicht verpflichtet wurde, kann man bedauern – muss man aber nicht dramatisieren. Transfers müssen zur Idee passen, nicht zur Schlagzeile.

Spieler wie Luis Díaz zeigen mir, dass der FC Bayern variabler denkt und internationaler plant. Ob so etwas immer sofort zündet, weiß niemand. Aber blindes Drauflos-Kaufen war noch nie bayerisch. Und Fakt ist: Díaz hat überzeugt. Was man in Liverpool von Wirtz so nicht behaupten kann.

Ich hätte mir zum Weihnachtsfest eine Vertragsverlängerung von Dayot Upamecano gewünscht, aber dann folgt der Vollzug eben im neuen Jahr. Upamecano wird bei Bayern bleiben, davon bin ich überzeugt.

Bayern wird Maßstäbe setzen

Unterm Strich sehe ich den FC Bayern – und auch Manuel Neuer – an einem entscheidenden Punkt: Balance. Zwischen Erfahrung und Jugend. Zwischen Tradition und Erneuerung. Wenn das gelingt, dann wird Bayern auch im kommenden Jahr wieder Maßstäbe setzen.

Und vielleicht reden wir dann erneut über einen Torwart, der allen beweist, dass Alter im Fußball manchmal nur eine Zahl ist.

Der FC Bayern hat zu alter Souveränität zurückgefunden. Mia san mia. Und das bleibt auch so.

Aufgezeichnet von Reinhard Franke