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Ein Land wächst zur Fußball-Macht

Ein Land wächst zur Fußball-Macht

Marokko feiert im Fußball immer größere Erfolge. Der Gastgeber der WM 2030 will in die Weltspitze. Ein ehemaliger Nationalspieler erklärt bei SPORT1 das Erfolgsrezept und wo es für Marokko hingehen kann.
Marokko will zu einer der Fußball Top-Nationen werden
Marokko will zu einer der Fußball Top-Nationen werden
© IMAGO/ZUMA Press Wire
Marokko feiert im Fußball immer größere Erfolge. Der Gastgeber der WM 2030 will in die Weltspitze. Ein ehemaliger Nationalspieler erklärt bei SPORT1 das Erfolgsrezept und wo es für Marokko hingehen kann.

Auf ihn und sein Land richten sich aktuell alle Blicke. Bei seiner Auszeichnung zu Afrikas Fußballer des Jahres legte Achraf Hakimi einen ganz speziellen Auftritt hin. Über seinem schwarzen Anzug trug Marokkos Top-Star einen schwarzen Umhang, der stark an Batman erinnert. In diesem speziellen Outfit rollte er auch an den Medienvertretern vorbei.

Wegen seiner Knöchelverletzung, die er sich nach einem Foul von Luis Diaz beim Champions-League-Spiel gegen den FC Bayern zuzog, nutzte er einen speziellen Roller, um sich ohne Krücken fortbewegen zu können.

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Auf der anschließenden Gala erhielt Hakimi dann seine Auszeichnung als bester Spieler des Kontinents. Er ist der erste Marokkaner seit 1998, der die Auszeichnung erhielt.

Der Preis steht stellvertretend für eine unglaubliche Entwicklung des fußballverrückten Landes. Still und heimlich versucht der einstige Außenseiter sich zu einer der großen Fußball-Mächte zu entwickeln. Marokko, Co-Gastgeber der WM 2030, will spätestens dann ein Wort um den WM-Titel mitreden.

Marokko ließ mit U20-WM-Titel aufhorchen

Über viele Jahre konnte man in Marokko froh sein, wenn man bei internationalen Turnieren überhaupt dabei war, doch zuletzt stellten sich immer größere Erfolge ein: Vierter Platz bei der WM 2022, Bronze bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris und sogar der erste WM-Titel des Landes bei der U20-WM in diesem Jahr.

„Der U20-Weltmeistertitel ist weit mehr als nur ein sportlicher Triumph“, sagte der ehemalige marokkanische Nationaltorhüter Mohamed Amsif im exklusiven Gespräch mit SPORT1: „Er ist ein Symbol für den tiefgreifenden Wandel im marokkanischen Fußball.“

Amsif, der in Düsseldorf geboren und in Deutschland aufgewachsen ist, hatte zwischen 2012 und 2014 acht Länderspiele für Marokko absolviert. Aktuell ist er Torwarttrainer beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. Die Entwicklung der letzten Jahre in Marokko verfolgt er weiterhin genau.

„Der Titel ist das Ergebnis einer langfristigen Vision“

„Seit Jahren investiert der Verband nicht nur in Infrastruktur, sondern auch in Scouting, sportliche Ausbildung und moderne Trainingsphilosophien. Der Titel ist das Ergebnis einer langfristigen Vision“, erklärte Amsif.

Start der Vision, sich als Top-Nation im Fußball zu etablieren, sei der Bau der Mohammed VI Football Academy gewesen. Das Ausbildungszentrum gilt als „das größte und modernste in Afrika“. Zum Komplex zählen zahlreiche Hybrid- und Kunstrasenplätze, eine Futsalhalle, Schwimmbäder und vieles mehr.

Auch dank der Akademie, die 2009 gegründet wurde, verzeichnete Marokko zuletzt die Erfolge. Beispielsweise standen gleich vier Spieler im U20-WM-Finale in der Startelf, die an der Akademie trainierten.

„Für Marokko bedeutet der Erfolg bei der U20, dass die Nachwuchsarbeit nun Früchte trägt“, bewertete Amsif die Entwicklung: „Junge Talente wachsen in einer professionellen Umgebung auf, die sie sowohl technisch als auch mental auf den internationalen Spitzenfußball vorbereitet.“

Diese U20-Weltmeister könnten zu Stars werden

Speziell auf die U20-WM-Helden werden sie in Marokko in der Zukunft bauen. Besonders in den Fokus spielte sich Othmane Maamma, der den Goldenen Ball als bester Spieler erhielt.

Im Sommer zahlte der englische Zweitligist FC Watford 1,3 Millionen Euro Ablöse. Damit könnte Maamma für Watford zum echten Schnäppchen werden. Wenige Wochen später führte er sein Land mit einem Tor und vier Vorlagen zum Titel.

„Sein Spiel hat etwas Mystisches“, titelte nach dem Turnier die spanische Sportzeitung Marca: „Als schneller und elektrisierender Rechtsaußen kombiniert er körperliche Kraft mit einer ausgefeilten Technik. Mit seiner teuflischen Fähigkeit beim Dribbling kann er die ganze Abwehrlinie durchbrechen.“

Aber nicht nur auf Maamma sollte man ein Auge haben. Amsif nennt noch zwei weitere spannenden Talente: Ali Maamar, Rechtsverteidiger vom RSC Anderlecht, und Yassir Zabiri, Mittelfeldspieler vom portugiesischen Verein FC Famalicao, der bei der WM den Silbernen Ball als zweitbester Spieler gewann.

„Wenn die Jungs sich weiterhin prächtig entwickeln, beständig bleiben und weiter hart an sich arbeiten, können sie in der Zukunft für Furore sorgen und im internationalen Spitzenfußball mit angreifen“, findet Amsif.

WM 2022? „Der Beginn einer neuen Ära“

Sollten zumindest einige der marokkanischen Top-Talente auch im Männerbereich den Durchbruch schaffen, könnte der Weg für das afrikanische Land tatsächlich stetig weiter nach oben gehen. Zum Kader gehören schon jetzt Weltklassespieler wie Hakimi oder Brahim Díaz von Real Madrid.

Wie stark Marokko sein kann, zeigte die WM 2022 in Katar, als man nach Siegen gegen Spanien und Portugal das Halbfinale erreichte und am Ende Vierter wurde.

Geht es nach Amsif, war dieser Erfolg erst der Anfang: „Das Erreichen des Halbfinals bei der WM 2022 war kein Zufall, sondern der Beginn einer neuen Ära. Marokko hat bewiesen, dass afrikanische Mannschaften auf höchstem Niveau bestehen können.“

„Die Mannschaft hat ein neues Spiel- und Selbstverständnis geschaffen, nicht mehr Außenseiter, sondern Mitfavorit zu sein“, sagte Amsif und nennt SPORT1 auch einen Hauptgrund für das neue Selbstverständnis: „Es ist eine Generation an Spielern, die in den besten europäischen Ligen Erfahrungen sammeln.“

„Nur eine Frage der Zeit, bis man um den WM-Titel mitspielt“

Insgesamt sieht der ehemalige Nationalspieler sein Land auf dem Weg, sich auch dauerhaft in der Weltspitze zu etablieren: „Wenn Marokko diesen Weg weiter fortsetzt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis man um den WM-Titel mitspielt.“

Bei der nächsten WM 2026 könne es vielleicht noch eng werden, aber spätestens zur Heim-WM 2030 soll es dann um den Titel gehen: „Das wäre ein großer Traum, aber auch eine Vision und Ziel, das man verfolgt. Irgendwann kann man diesen Traum wahrmachen, dann ist das kein Hirngespinst mehr, sondern einfach nur ein realistisches Ziel.“

„Das Land glaubt an seine Mannschaft und das ist die vielleicht größte Stärke“, erklärte Amsif weiter: „Marokko spielt mit einem Stolz, einer Leidenschaft, aber auch einer taktischen Reife, die man in der Form früher selten gesehen hat.“

Bisher brachte das nordafrikanische Land schon immer gute Fußballer heraus. Ein gutes Team, das um Titel spielt, hatte man aber selten. Der größte Erfolg im Herrenbereich ist der Sieg beim Afrika-Cup 1976.

„Wenn die Nationalmannschaft spielt, steht das ganze Land still“

Obwohl die Nationalmannschaft selten große Titel gewann, hat der Sport in Marokko eine unglaubliche Bedeutung: „Der Fußball ist und war in Marokko schon immer mehr als Sport. Er ist ein Teil der nationalen Identität. Wenn die Nationalmannschaft spielt, steht das ganze Land still. In den Straßen von Casablanca, Rabat oder Marrakesch spürt man richtig die Energie, wenn die Nationalmannschaft spielt“, beschrieb Amsif die Liebe der Marokkaner für den Fußball: „Kinder spielen bis spät in die Nacht und die Cafés sind total überfüllt.“

Amsif verweist auf einen weiteren Faktor: „Seit der Bekanntgabe, dass die WM 2030 in Marokko stattfindet, ist der Hype regelrecht explodiert. Überall entstehen neue Stadien, die bestehenden Stadien werden erweitert und es werden Trainingszentren und Jugendakademien gebaut.“

Die WM soll aber nicht nur ein sportliches Highlight werden, sondern soll und wird dem Land auch im Weltansehen extrem helfen, ist sich Amsif sicher.

Marokko? Eines „der spannendsten Fußballländer der kommenden Jahre“

„Marokko sieht den Fußball als Brücke zwischen den Kulturen. Das Land möchte 2030 nicht nur ein Turnier ausrichten, sondern ein Erlebnis schaffen, das Afrika und Europa miteinander verbindet“, erzählt Amsif im Gespräch mit SPORT1.

Zudem werde das Turnier „jungen Menschen Perspektiven, Träume und das Gefühl vermitteln, Teil von etwas Großem zu sein“.

Für Amsif ist klar: „Die Leidenschaft kombiniert mit sportlichem Ehrgeiz macht Marokko zu einem der spannendsten Fußballländer der kommenden Jahre.“

Die nächste große Geschichte könnte das Land dann schon in wenigen Monaten feiern, wenn Marokko zwischen Dezember und Januar den Afrika-Cup ausrichtet und zu den Top-Favoriten zählt.