35:28-Sieg gegen den vermeintlich stärksten Gegner in der Vorrunde, drei von fünf Siebenmetern pariert und damit trotz komplizierter erster Halbzeit einen wesentlichen Beitrag zum Sieg geleistet – zum Lachen war Andreas Wolff im Anschluss an das WM-Spiel gegen Polen dennoch nicht zumute. Verärgert redete er auf das erste vertraute Gesicht ein, das ihm auf dem Weg vom Feld begegnete: Teammanager Benjamin Chatton.
„Wir haben ihn im Stich gelassen“
„Den ersten Anpfiff von Andi habe sogar ich bekommen, weil ich ihn einmal vor der Mixed Zone erwischt hatte. Da war er einfach unzufrieden“, sagte Chatton bei einer Medienrunde auf Nachfrage von SPORT1, als die immer noch ausbaufähige Leistung in der Defensive zur Sprache kam. Das Problem sei nicht neu, bestätigte auch Chatton und erinnerte an die Testspiele gegen Brasilien vor Turnierbeginn.

Gegen Polen war es insbesondere der herausragende Kreisläufer Kamil Syprzak, der Deutschland mit seinen wuchtigen Blöcken und starken Abschlüssen immer wieder Kopfzerbrechen bereitete. Der 33-Jährige ist 2,07 Meter groß, spielintelligent und abgezockt. Auch Trainer Alfred Gislason hob ihn lobend hervor und verwies auf die nur schwer zu verteidigende Kombination von Syprzak sowie den schnellen polnischen Rückraumspielern.
Wolff sieht „Gesprächsbedarf“ nach Polen-Spiel
Auch Wolff hatte darunter zu leiden, wie er im Gespräch mit SPORT1 erläuterte. „Er ist ein fantastischer Kreisläufer“, lobte er den Kontrahenten, erklärte aber gleichzeitig, dass „die erste Halbzeit nicht unseren Ansprüchen entsprechen“ könne. Dies bezog er auf die Konzentration in der Defensive und Offensive.
Wolff wechselte sich fünf Minuten vor der Halbzeitpause selbst aus, Vertreter David Späth hatte in der Folge drei wichtige Paraden, während der Kieler Routinier bei den Siebenmetern zur Stelle war. Doch der Hauptgrund dafür, dass es für den am Ende klaren Sieg reichte, war die Steigerung in der Offensive nach der Pause.
Entsprechend stellte Wolff auch klar, dass es „Gesprächsbedarf“ gebe, „was Absprachen angeht“. In der ARD sagte er: „Ich habe 1-2 Sachen im Kopf, die ich ansprechen werde, aber das sind Interna.“
Um was es geht, war allerdings nicht schwer zu erraten. Erstens wiesen unter anderem die beiden Mitspieler Julian Köster („Wir kriegen zu viele leichte Tore über den Kreis und aus dem Rückraum. Da können unsere Torhüter deutlich besser unterstützen“) und Lukas Mertens („Da haben wir Andi schon oft im Stich gelassen gegen Syprzak“) auf die verbesserungswürdige Arbeit in der Verteidigung hin.
„Das hat ihn definitiv gewurmt“
Und zweitens plauderte Ex-Nationaltorhüter Johannes Bitter im ARD-Podcast „Handball auf die Eins“ eine kurze Unterhaltung mit Wolff nach dem Spiel aus. Mit diesem habe er bereits über das Blockverhalten sprechen können. „Der war not amused, weil das definitiv eine Sache war, die ihn gewurmt hat.“
Weiter sagte Bitter: „Den Kontakt im Mittelblock fand ich ein bisschen mau. Da hat mir die Härte gefehlt. Das muss definitiv besser werden gegen die anderen Mannschaften.“ Auch Bundestrainer Gislason nahm die Torhüter in Teilen aus der Verantwortung: „Es hängt immer mit der Abwehr zusammen, wir haben nicht viele Bälle geblockt. Da haben wir ihnen nicht geholfen.“
Doch sowohl beim Isländer als auch den weiteren Teammitgliedern war der Tenor letztlich positiv: In der zweiten Halbzeit konnte Selbstvertrauen gesammelt werden - und an den vorliegenden Problemen wird intensiv gearbeitet. So verwies Chatton auf die teilweise noch fehlende „Eingespieltheit, die bei Olympia da war und die die Jungs ausgezeichnet hatte. Wir kommen da jeden Tag einen Schritt weiter.“
Und den Ärger von Wolff? Den bewertete Chatton als positives Zeichen von unbändigem Ehrgeiz: „Das zeichnet ihn auch aus, dass da trotz des Erfolges direkt eine Kritik da ist: ‚Was können wir verbessern?‘ Das ist von ihm emotional, aber auch immer wieder konstruktiv.“ Im Trainerteam, bei den Torhütern angeführt von Mattias Andersson, gebe es einen regen Austausch.
Zudem: Der Blick auf den Statistikbogen zeigt, dass Wolff das Spiel mit einer mehr als respektablen Quote von 36 Prozent (10/28) beendete. Gelingen in den kommenden Vorrundenspielen gegen die Schweiz (20.30 Uhr im SPORT1-Liveticker) und Tschechien (Sonntag, 18 Uhr) die angestrebten Anpassungen in der Defensive, dann muss dem deutschen Team vor den weiteren Aufgaben ganz und gar nicht bange sein.