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Heiner Brand: "Beim Fußball haben sie 30 Spieler und jammern noch"

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„Es liegt noch sehr viel im Argen“

Mit Heiner Brand als Nationaltrainer holte der DHB 2007 die bislang letzte WM-Medaille, es war eine goldene! Im SPORT1-Interview erklärt er, was dieses Mal möglich ist - und wo noch „sehr viel im Argen“ liegt.
Bei der Handball-WM kommt es zum großen Olympia-Rematch zwischen Deutschland und Dänemark. Die Dänen scheinen vor dem Kräftemessen entspannt. Schließlich kennt man sich ja aus der Bundesliga.
Mit Heiner Brand als Nationaltrainer holte der DHB 2007 die bislang letzte WM-Medaille, es war eine goldene! Im SPORT1-Interview erklärt er, was dieses Mal möglich ist - und wo noch „sehr viel im Argen“ liegt.

Weltmeister als Spieler 1978, Weltmeister als Trainer 2007 - Heiner Brand ist eines der großen Aushängeschilder des deutschen Handballs. Mit dem heute 71-Jährigen an der Seitenlinie reihte das DHB-Team einen Erfolg an den nächsten. In der Zeit zwischen 1997 und 2011 reichte es gleich für sechs Medaillen bei Olympia, WM und EM – darunter 2004 der EM-Titel sowie Silber bei den Olympischen Spielen in Athen.

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Brand, der seit vergangenem Jahr als Markenbotschafter für seinen Heimatverein VfL Gummersbach fungiert, traut der deutschen Nationalmannschaft bei der derzeitigen WM viel zu, wie er im Interview mit SPORT1 verrät.

Er sieht allerdings in einigen Bereichen noch deutlichen Nachholbedarf, um auch gegen Spitzenteams wie Dänemark (ab 20.30 Uhr im SPORT1-Liveticker) konkurrenzfähig zu sein.

Brand hat zudem eine klare Meinung zur Diskussion um den Begriff „Druck“ und formuliert Ideen, wie die Belastung der Spieler reduziert werden könnte - ist allerdings äußerst skeptisch, was deren Umsetzung angeht.

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SPORT1: Herr Brand, wie haben Sie bisher das Turnier verfolgt?

Heiner Brand: Ich habe mir zumindest in der Vorrunde nur die Spiele der deutschen Mannschaft angeschaut. Diese Phase des Turniers ist durch die hohe Teilnehmerzahl noch ziemlich verwässert. Ich sitze zwar zunächst entspannt da, aber irgendwann kommt dann, bedingt auch durch die Spielweise der deutschen Mannschaft, etwas mehr Anspannung dazu.

SPORT1: Sie sprechen die Spielweise an. Wo sehen Sie denn noch Luft nach oben?

Brand: Es gibt eine ganze Menge an Dingen, die noch besser werden können. Aber auf der anderen Seite ist es erstmal positiv, dass wir die Vorrunde ohne Punktverlust überstanden haben. Das ist für den weiteren Turnierverlauf enorm wichtig. Die Moral der Mannschaft stimmt, der Kampf stimmt. Sie hat die schwächeren Teams in der entscheidenden Phase sehr unter Druck gesetzt und die Spiele deshalb auch für sich entschieden.

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„Andi Wolff hat uns gegen die Schweiz gerettet“

SPORT1: Was funktioniert am besten?

Brand: Sicherlich die Torhüter, die uns bisher sehr geholfen haben, insbesondere Andi Wolff, der uns im Spiel gegen die Schweiz gerettet hat. Das muss man ehrlicherweise sagen. Sonst hätte das Spiel nicht mit dem Sieg für uns geendet. Die Abwehr funktioniert ebenfalls, auch wenn ein paar Abstimmungsprobleme da sind. Wenn sie sich zusammenreißt, kann sie die Gegner immer unter Druck setzen. Die Mannschaften konnten dem Druck unserer Abwehr gerade in der Schlussphase nicht mehr standhalten und haben leichte Fehler begangen. Diese sicherlich schwächeren Mannschaften sind zu Beginn noch schneller auf den Beinen und gefährlicher, aber halten das nicht über 60 Minuten durch. Dann kommt unsere Abwehr und macht die entscheidenden Dinge richtig, sodass wir Ballgewinne haben und auch relativ einfache Tore erzielen können.

SPORT1: Kapitän Johannes Golla hat die fehlende Eingespieltheit in der Abwehr angesprochen, weil die Vorbereitungszeit kurz war und neben ihm auch Julian Köster in den vergangenen Monaten teilweise kürzertreten musste ...

Brand: Ich sehe nicht das Problem, dass das nicht hinhaut. Gerade Golla und Köster können beide sehr gute Abwehr spielen. Diese Mittelachse war bei Olympia sehr stark und die Grundlage für die Erfolge.

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„Spielerisch liegt noch sehr viel im Argen“

SPORT1: Sie sehen die Probleme eher im Angriff?

Brand: Ja. Spielerisch liegt doch noch sehr viel im Argen. Wir haben individuell sehr gute Spieler, das war auch in den drei Spielen zu sehen. Wenn ich von Juri Knorr, Renars Uscins und Köster ausgehe, Witzke noch als Ergänzung habe und auch noch Grgic bringen kann - da haben wir schon enorme Power. Das war die Grundlage für viele Tore. Rein aus dem Spielerischen haben wir zu wenig gemacht. In den engen Phasen war Knorr der Ausgangspunkt bei vielen Toren, meistens bei Toren von Uscins, wenn er für ihn angekreuzt oder parallel gespielt hat. Das sind einfache, gute Tore. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob das gegen Spitzenmannschaften reicht. Da fehlen mir andere spielerische Mittel schon sehr. Dann müssten noch andere Mechanismen im Angriff greifen. Das Viertelfinale ist aber sicher, egal wie das Spiel gegen die Dänen ausgeht.

SPORT1: Die Chancenverwertung ist ein wiederkehrendes Problem ...

Brand: Ich mag diese Argumentation mit der Chancenverwertung nicht. Sicherlich sind einige klare Chancen vergeben worden. Aber was sollen die Gegner sagen, wenn sie gegen Andi Wolff spielen oder David Späth? Für mich ist das Herausspielen der Torchancen am wichtigsten. Darüber hinaus benötige ich gerade in den engen Spielen die Leistung der Torhüter und der Abwehr. Das haben wir gerade gesehen. Grundlage war ja nicht unser überragendes Angriffsspiel, sondern Torwart und Abwehr, die einfachere Tore ermöglicht haben.

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SPORT1: Nur zwei von sieben Siebenmetern konnten bisher verwandelt werden ...

Brand: Wenn ich mich richtig erinnere, hat Wolff direkt im ersten Spiel drei ganz wichtige gehalten und Späth gegen Tschechien ebenfalls einen. Klar: Wenn man die Siebenmeter rein macht, läuft einiges einfacher, aber so ist das im Handball. Die Torhüter spielen eben auch eine Rolle. Unsere sind bisher sicher besser als die anderen und werden es auch bleiben. Für mich ist immer der handballerische Aspekt wichtiger.

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SPORT1: Wie sehen Sie Juri Knorr?

Brand: Er spielt sehr konzentriert und hat diese Aussetzer, die es bei Olympia noch bei ihm gab, nicht gehabt. Er trifft gute Entscheidungen.

Druck? Diese Diskussion stört Heiner Brand

SPORT1: Sind Sie der Meinung, dass der Druck auf Knorr und auch Uscins zu hoch ist?

Brand: Man sollte nicht immer von Druck reden. Die sind jetzt auch schon alle ein paar Jahre in der Bundesliga, der stärksten Liga der Welt, und haben in ihren Verein zentrale Rollen. Deshalb sind sie auch so gut, das ist mit früher nicht mehr zu vergleichen. Wenn damals junge Spieler dazukamen, mussten die um jede Minute bei ihrem Verein kämpfen oder kamen nur in der Schlussphase bei hohen Führungen zum Einsatz. Jetzt haben alle wichtige Positionen und sind auch deshalb so dominant. Sie haben diesen wöchentlichen Druck in ihrem Verein und deshalb genügend Erfahrung. Ich sehe ich das nicht als Problem an.

SPORT1: Wie optimistisch sind Sie für das Spiel gegen Dänemark? Ist das perfekte Spiel notwendig?

Brand: Ja, da muss schon alles perfekt laufen. Die Dänen sind die beste Mannschaft der Welt. Wie sehen immer wieder, welche Spieler nachkommen, wenn Stars wie Niklas Landin oder Mikkel Hansen aufhören. Aber es ist doch eine wunderbare Ausgangssituation. Wir sind der Underdog, gerade nach den Leistungen in den ersten drei Spielen und gegen Dänemark sowieso. Man kann befreit aufspielen, Druck ist nicht vorhanden. Jeder geht von einer Niederlage aus. Ich sehe darin eine große Chance.

SPORT1: Von vielen Seiten wird über die Belastung für die Spieler geklagt. Der Handball-Kalender ist vollgepackt. Sehen Sie den Punkt oder wird das Ihrer Meinung nach übertrieben?

Brand: Das ist natürlich schon lange ein Diskussionsthema - bereits seit meiner aktiven Zeit, die über 40 Jahre her ist. Die Dinge werden schon lange angemahnt, aber trotz allem nicht geändert, weil keiner nachgeben will. Die IHF will ihre Turniere machen, jetzt sogar mit mehr WM-Teilnehmern, weil auch in den kleineren Nationen der Handball populärer werden soll. Die Vereinswettbewerbe werden ausgedehnt. Man könnte die Champions League ja auch nur mit den Meistern spielen plus der Titelverteidiger.

SPORT1: Und auf nationaler Ebene?

Brand: Die Bundesliga will man auch nicht kleiner machen, die Vereine brauchen schließlich die Einnahmen. Ansonsten müssten die Spieler Zugeständnisse bei den Gehältern machen, aber das wollen die auch nicht. Jede Gruppe hat ihre eigenen Interessen. Die Belastung für die Spieler ist deutlich höher als in allen anderen Sportarten. Hinzukommen die recht kleinen Kader. Beim Fußball lesen wir immer über jede einzelne Verletzung und die Rotation, die notwendig ist. Die haben Kader von 30 Spielern und jammern immer noch, wenn mal einer ausfällt. Nach Olympia gab es ein paar Verletzungen, unter anderem Golla und Köster. Das sind auch Folgen der hohen Belastung. Irgendwann muss sich der Körper eine Pause gönnen. Ich habe gerade gesagt, wie man das ändern könnte, aber es macht keiner mit (lacht).

„Es funktioniert nicht überall wie bei uns“

SPORT1: Die WM findet in drei Ländern statt, was kritische Stimmen hervorgerufen hat. Stimmen Sie diesen zu?

Brand: Ich kenne die genauen Gründe nicht, könnte mir aber vorstellen, dass auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen. Weil ein einzelnes Land gar nicht mehr bereit ist, dieses volle Risiko zu tragen. Das ist eine Tendenz, die ich schon zu meiner Zeit bei Juniorenturnieren festgestellt habe. Für die öffentliche Wahrnehmung ist es natürlich besser, wenn sich alles auf ein Land konzentriert. Man darf allerdings nicht vergessen, dass es außerhalb von Deutschland und vielleicht Dänemark schon immer schwierig war, was die Auslastung der Hallen angeht. Wenn in Spanien eine Europameisterschaft war, da war auch nur bei den Spielen der Spanier die Halle voll. Es funktioniert nicht überall so wie bei uns, dass auch bei den Spielen der Gäste untereinander die Hallen voll sind.

SPORT1: Sie haben bereits gesagt, dass Deutschland mindestens ins Viertelfinale kommen wird. Wie sieht Ihre Turnierprognose aus?

Brand: Ich gehe von einer Steigerung unserer Mannschaft aus und glaube an das Halbfinale. Die anderen Mannschaften machen - abgesehen von Dänemark - nicht den stabilsten Eindruck. Norwegen hatte man eigentlich auf dem Zettel, Schweden hat Probleme mit verletzten Spielern, ähnlich ist es bei Kroatien. Spanien ist immer unberechenbar und zu beachten. Sie haben nach ihrer starken Generation sukzessive einen Umbruch geschafft und sind immer gut ausgebildet. Das Halbfinale müsste drin sein für unsere Mannschaft, danach ist wie immer alles möglich.