Noch vor wenigen Monaten hing die Zukunft von Daniel Farke bei Leeds United an einem seidenen Faden. Nach dem verpassten Wiederaufstieg in die Premier League im alles entscheidenden „Billion Dollar Game“ und einem holprigen Start in die neue Saison in der Championship wuchsen die Zweifel am deutschen Trainer.
Plötzlich grüßt er von Platz 1
Fans und Experten fragten sich, ob Farke wirklich der richtige Mann sei, um den Traditionsklub zurück ins englische Oberhaus zu führen. Die Mannschaft wirkte zu Saisonbeginn unsicher, die Ergebnisse blieben hinter den Erwartungen zurück.
Die Unruhe wuchs und der Druck auf Farke stieg - und auch der ehemalige Gladbach-Coach stellte selbst fest: „Ich tue mich im Moment schwer, eine wirklich klare Erklärung zu finden, denn in allen Bereichen waren wir in diesen 20 Minuten nicht wir selbst“, erklärte er nach einem 0:3 im League Cup gegen Ligakonkurrent FC Middlesbrough.
Doch Farke blieb ruhig, hielt an seinen Prinzipien fest – und wurde dafür belohnt. Nach dem Boxing Day sieht die Welt an der Elland Road nun wieder ganz anders aus. Mit einem verdienten 2:0-Sieg gegen Stoke City kletterten die Whites auf den ersten Tabellenplatz der Championship.
Es war der vorläufige Höhepunkt einer bemerkenswerten Entwicklung, die kaum jemand für möglich gehalten hatte. Und Farke? Der Mann, der einst in Norwich City als Aufstiegsspezialist gefeiert wurde, stand mit einem Lächeln an der Seitenlinie und genoss den Erfolg.
Ein steiniger Weg
Der Weg an die Tabellenspitze war alles andere als einfach. Noch im Herbst schwankte Leeds zwischen Hoffnung und Ernüchterung, Farke benötigte Zeit, um seine Ideen zu vermitteln. „Manchmal dauert es, bis eine Mannschaft versteht, was wir von ihr verlangen”, erklärte der 48-Jährige in einem Interview im Oktober.
Es folgten Wochen harter Arbeit – auf und neben dem Platz. Leeds erkämpfte sich wichtige Punkte und fand immer mehr zu der Form aus dem Vorjahr. Besonders hervorzuheben ist die Leistung von Joel Piroe, der gegen Stoke beide Tore erzielte und sich als einer der Schlüsselspieler der Saison etabliert hat.
Sein erstes Tor im Duell mit Stoke war ein technisch anspruchsvoller Abschluss kurz vor der Halbzeit, das zweite ein präziser Kopfball nach einer Hereingabe von Daniel James. Beide Treffer spiegelten wider, was Farkes Team ausmacht: Geduld, Präzision und eine hohe Effizienz in entscheidenden Momenten.
Leeds mit gutem Lauf
Nach dem Sieg gegen Stoke zeigte sich Farke zufrieden, aber keineswegs euphorisch. „Sie haben einen wirklich guten Lauf”, sagte er gegenüber der Yorkshire Evening Post. „Aus den letzten vier Spielen haben wir zehn Punkte geholt, was ausgezeichnet ist. Aber das ist gerade einmal die Hälfte der Arbeit. Es ist Halbzeit und wir müssen weitermachen.”
Diese bodenständige Einstellung zieht sich durch die gesamte Mannschaft. „Unser Geist, unsere Einheit, unser Zusammenhalt – man konnte es buchstäblich auf dem Platz fühlen”, betonte Farke nach dem Spiel.
Nächster Halt Premier League?
Mit dem Sprung an die Tabellenspitze ist Leeds United nun einer der Favorit auf den direkten Aufstieg in die Premier League. Doch Farke warnt davor, sich zu früh zu freuen: „Es ist ein tolles Gefühl, auf Platz eins zu stehen, aber in dieser Liga kann sich alles schnell ändern.“
Er weiß, dass die zweite Saisonhälfte noch viele Herausforderungen bereithält. Teams wie Sheffield United und der FC Burnley sitzen Leeds im Nacken, lediglich das bessere Torverhältnis lässt Leeds vor Sheffield an der Tabellenspitze thronen. Zudem ist die physische Belastung der Championship nicht zu unterschätzen.
Trotzdem ist die Stimmung in Leeds so gut wie lange nicht mehr. 2020 führte der legendäre Marcelo Bielsa Leeds United nach 16 Jahren Abstinenz zurück in die Premier League und entfachte damals eine riesige Euphorie.
Nun träumen die Fans wieder von großen Spielen in Englands Oberhaus - und Daniel Farke ist der Mann, der diesen Traum zwei Jahre nach dem Abstieg wahr machen könnte. Der deutsche Coach hat das Vertrauen zurückgebracht und eine Mannschaft geformt, die bereit ist, den so bitter verpassten Aufstieg ein Jahr später nachzuholen.