Monaco? Olympique Marseille? Olympique Lyon? Nein, der OGC Nizza ist der einzige Verein, der mittel- und langfristig in der Lage sein wird, Paris Saint-Germain in der französischen Meisterschaft Paroli zu bieten
Ligue 1: Wie OGC Nizza zum Rivalen von Paris Saint-Germain werden will
Warum nur Nizza PSG gefährlich wird
Einen Vorgeschmack bekam PSG bereits am Montagabend, als der Gast aus Nizza den Serienmeister aus dem Coupe de France schoss. Nachdem die reguläre Spielzeit torlos endete, gewannen die Gäste das Elfmeterschießen 6:5.
Auf den ersten Blick ist der zweite Platz in der Tabelle der Ligue 1 nach 22 Spieltagen sicherlich überraschend, aber dieser Traditionsverein, der 1904 gegründet wurde, hat dank seines reichen englischen Eigentümers große Ziele. (NEWS: Alle Infos zur Ligue 1)
Seit drei Jahren verfügen die Azuréens über ein modernes Trainingsgelände und seit sechs Jahren über eine top ausgestattete Arena, die Allianz Riviera. Bisher war sie mehr halbleer als halbvoll, aber sobald die Pandemie es erlaubt, wieder vor vollen Rängen zu spielen, werden die Anhänger ins Stadion strömen.
Aufbruchstimmung in Nizza
Am Mittelmeer ist nämlich eine gewisse Euphorie zu spüren. Grund dafür: Der Einstieg von Ineos, einem britischen Chemiekonzern, der mehr denn je gewillt ist, aus Nizza einen europäischer Top-Verein zu formen. Eigentümer Jim Ratcliffe, der als Gründer und Vorstand von Ineos 20 Milliarden Euro schwer ist (damit ist er der 113. reichste Mensch der Welt), weiß genau, was er will.
Schritt für Schritt entwickeln sich die Aiglons (übersetzt die Adler) durch eine gesunde Mischung aus erfahrenen (Dante) und jungen Talenten (Jean-Claire Todibo, Khephren Thuram, Amine Gouiri, Calvin Stengs) zu einem Top-Team, ohne bislang hohe Summen auf dem Transfermarkt auszugeben. (Dante im SPORT1-Interview)
Bisher war der größte Einkauf der Däne Kasper Dolberg, der im Sommer 2019 für 20 Millionen Euro von Ajax kam, genau einen Tag nach der Übernahme von Ineos für geschätzte 100 Millionen Euro. „Wir geben unser Geld gezielt aus und wir werden nie verrückte Sachen machen“, erklärt Jean-Pierre Rivère, der Präsident des OGCN.
Folgt Nizza dem Vorbild Red Bull?
Die Strategie von Ineos erinnert stark an den Weg von Red Bull mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass die Engländer bereit sind, deutlich mehr in die Mannschaft zu investieren, um national wie international nachhaltig die erste Rolle zu spielen. (DATEN: Die Tabelle der Ligue 1)
Außerdem sind sie keineswegs gezwungen, ihre besten Spieler zu verkaufen. Wenn bisher eine französische Mannschaft die Sensation des Jahres war, stolperte sie in der darauffolgenden Saison, weil sie ihre besten Kräfte verkaufen musste. So geschehen etwa bei Monaco ein paar Wochen nach dem Meister-Titel im Sommer 2017, als Kylian Mbappé gen PSG oder Bernardo Silva an Manchester City verkauft wurde.
Sollte Nizza tatsächlich in die Champions-League-Gruppenphase im September einziehen, wird Ratcliffe noch tiefer in die Tasche greifen und einige große Namen an die Côte d´Azur holen.
Ursprünglich hieß es, man wolle „in drei bis fünf Jahren in die Königsklasse einziehen“, wie Nizzas Sportdirektor Julien Fournier Ende 2019 betonte. Nun scheint der Plan genau nach drei Jahren aufzugehen. In der vergangenen Spielzeit lief es noch mehr als durchwachsen mit einem enttäuschenden neunten Platz.
Ohne Vieira auf Erfolgskurs
Dazu wurde Coach Patrick Vieira kurz vor Weihnachten entlassen, weil er nicht in der Lage war, seiner Elf seinen Stempel aufzudrücken. Bereits zu diesem Zeitpunkt galt bei den Bossen Christophe Galtier als Priorität für die saison 2021/22. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der Ligue 1)
Trotz lukrativerer Angebote von Olympique Lyon und dem SSC Neapel hat sich der französische Trainer, der vor acht Monaten Lille sensationell zur Meisterschaft führte, für das Ineos-Projekt entschieden.
„Hier entsteht etwas Großes“, meint Galtier. „Ich habe das Gefühl, dass man mit Ruhe und Geduld arbeiten kann, um den Spielstil dieser Mannschaft behutsam zu entwickeln. Der ganze Verein will hoch hinaus. Wir sind sicherlich auf einem guten Weg.“
Für Nizza gibt es womöglich bald einen weiteren Erfolg zu vermelden: OGC wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ligue-1-Saison vor Nachbar und Erzrivale Monaco (momentan neun Punkte hinter Nizza) abschließen und sich somit als Côte-d´Azur-Meister fühlen, was in der Vergangenheit selten der Fall war.