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Der 85-Millionen-Mann ist weg - und hinterlässt Fragen

Ex-Rekordmann geht, Fragen bleiben

Bis zur Verpflichtung von Florian Wirtz in diesem Sommer war Darwin Nunez der Rekordtransfer des FC Liverpool. Nun geht er mit 26 in die Wüste. Ein Schritt, der Fragen aufwirft.
Vor der Partie zwischen Liverpool und Crystal Palace wurde die Schweigeminute zu Ehren Diogo Jotas und seines Bruders von Palace-Fans gestört. Reds-Coach Arne Slot vermutet dahinter aber kein Kalkül.
Bis zur Verpflichtung von Florian Wirtz in diesem Sommer war Darwin Nunez der Rekordtransfer des FC Liverpool. Nun geht er mit 26 in die Wüste. Ein Schritt, der Fragen aufwirft.

Wie sich die Bilder gleichen. Direkt bei seinem Debüt im Testspiel gegen den FC Aarau traf Darwin Nunez für seinen neuen Klub Al-Hilal. Kurz vor Schluss markierte der Uruguayer den 6:0-Endstand. Im folgenden Test gegen Waldhof Mannheim (3:2) legte Nunez gleich sein nächstes Tor nach.

Auch beim FC Liverpool startete der Angreifer 2022 verheißungsvoll. Dem ersten Treffer beim Pflichtspieldebüt im englischen Supercup gegen Manchester City folgte ein Treffer und ein Assist beim Premier-League-Auftakt beim FC Fulham. Doch seine Heimpremiere eine Woche später gegen Crystal Palace endete vorzeitig mit einer Roten Karte nach einem Kopfstoß.

Wie in seinen ersten Wochen pendelte Nunez in seinen drei Jahren an der Merseyside zwischen den Extremen. Nach seinem Abgang in die Wüste stellen sich daher die Fragen: Was bleibt vom einstigen Liverpooler Rekordmann? Und warum schon mit 26 der Wechsel nach Saudi-Arabien?

„Ein Publikumsliebling, ein Flop - oder beides?“

„Fehlschüsse, Zerwürfnisse und späte Tore“, so betitelte der Guardian Nunez‘ „ereignisreiche“ Zeit in Liverpool. Und die BBC fragte: „War er ein Publikumsliebling, ein Flop - oder beides?“

Es bleibt ambivalent. Gemessen an den Erwartungen, die seine Verpflichtung 2022 geweckt hat, ist seine Bilanz unter dem Strich enttäuschend.

Zur Erinnerung: Die Reds überwiesen damals die Rekordsumme von 85 Millionen Euro an Benfica Lissabon. Erst der für 125 Millionen Euro aus Leverkusen geholte und zuletzt gefeierte Florian Wirtz löste Nunez in diesem Sommer als teuersten Spieler der Klubhistorie ab.

Dafür sind 40 Tore in 143 Spielen eine überschaubare Quote für einen Angreifer. Der Uruguayer schoss sich mit entscheidenden Last-Minute-Treffern in die Herzen der Fans. Dreimal traf er seit seinem Wechsel in die Premier League in der Nachspielzeit, kein anderer Spieler schaffte das in dieser Zeit häufiger.

Für Carragher war Nunez „Captain Chaos”

Doch auf der anderen Seite machten ihn vergebene Großchancen immer wieder zum Gespött in den Sozialen Medien. Auch die Experten arbeiteten sich an ihm ab. Liverpool-Ikone Jamie Carragher bezeichnete ihn einst als „Captain Chaos“ und prophezeite ihm schon Ende vergangenen Jahres einen nahenden Abschied.

„Ich bin mir nicht sicher, ob er nächstes Jahr noch hier sein wird“, sagte Carragher bei The Overlap. „Ich glaube, er wird wahrscheinlich weiterziehen. Er ist eher sowas wie ein Kultheld, weil er ein bisschen verrückt ist und gerne herumrennt, aber er ist besser als Origi.“

Während Divock Origi als Edelbackup zum Publikumsliebling wurde, polarisierte Nunez ungeachtet seiner Last-Minute-Heldentaten.

Jürgen Klopp machte sich einst für Nunez‘ Verpflichtung stark und sah ihn auch als Langzeitprojekt. Doch Nachfolger Arne Slot verlor irgendwann die Geduld mit dem Offensivmann.

Nunez strapazierte Slots Nerven

Nunez sei ein Stürmer, den man auf eine bestimmte Art und Weise einsetzen müsse, erklärte Slot im Laufe der Saison und sprach die Probleme an: „Er ist sehr schnell, aber leider spielen die meisten Teams gegen uns sehr defensiv.“

Das Engagement und den Willen konnte man Nunez auf dem Platz nicht absprechen, allein der Ertrag war dünn. In der abgelaufenen Meistersaison in der Premier League stand er nur achtmal in der Startelf. Fünf Tore und drei Assists gelangen ihm dabei.

Mit vergebenen Chancen strapazierte er die Nerven seines Trainers. „Spieler vergeben Chancen - das kann ich akzeptieren“, sagte Slot nach einer verpassten Möglichkeit Anfang des Jahres im Spiel gegen Aston Villa: „Was ich nur schwer akzeptieren konnte, war sein Verhalten nach dieser Chance. Mit Verhalten meine ich, dass er sich zu sehr einen Kopf darüber gemacht hat, sodass er nicht mehr der gewohnte Darwin war, der sich voll ins Zeug legt und dem Team hilft.“

Für Liverpool bleibt der Deal ein Verlustgeschäft. Bis zu 55 Millionen Euro Ablöse sollen fließen. Für Nunez selbst lohnt sich der Wechsel finanziell. Sein Jahresgehalt soll bei sagenhaften 24 Millionen Euro liegen.

Lässt Bielsa Nunez fallen?

Sportlich setzt er mit Mitte 20 allerdings seine internationale Karriere aufs Spiel. In seiner Heimat wird mit Spannung die nächste Nominierung für die Nationalmannschaft erwartet.

Trainer Marcelo Bielsa soll laut Berichten aus Uruguay seinen Spielern bereits mitgeteilt haben, dass er es nicht gutheiße, wenn sie in weniger wettbewerbsfähige Ligen wie die Saudi Pro League abwandern würden.

Nunez selbst fand nach seinem Abschied aus England versöhnliche und emotionale Worte. „Ich gehe voller Dankbarkeit aus tiefstem Herzen“, schrieb er in seinem Abschiedspost. „Danke für die Liebe des Publikums, das mich nie im Stich gelassen hat und mir immer den Rücken gestärkt hat – in guten wie in schlechten Zeiten.“