Wer wissen möchte, wie eng Freud und Leid im Fußball manchmal zusammenliegen, wie schnell die Stimmung umschlagen kann, muss nur Alexander Isak fragen.
Liverpool: Plötzlich ist er "Alexander der Große"
Plötzlich ist er „Alexander der Große“
Der kritisch beäugte Rekord-Transfer des FC Liverpool, der im Sommer für die horrende Summe von 150 Millionen Euro an die Anfield Road wechselte, hatte bis Sonntag immer noch keinen einzigen Treffer für seinen neuen Arbeitgeber geschossen. Und auch im Gastspiel der Reds bei West Ham United sah es zunächst nicht so aus, als sollte sich das ändern.
Pfiffe und Häme gegen Rekord-Transfer Isak
Es waren gerade 22 Minuten gespielt, als Cody Gakpo den Ball vom langen Pfosten zurück in die Mitte zu Isak brachte und dieser aus kürzester Distanz zum Abschluss kam. Doch Torhüter Alphonse Areola warf sich in den Schuss und verhinderte den Einschlag. Das hieß: Wieder kein Erfolgserlebnis für den Schweden. Prompt hallten Pfiffe und Häme von den Rängen, adressiert an den Torlos-Stürmer.
Doch rund eine Stunde später war es endlich so weit, der Bann gebrochen und einer der Sündenböcke für die Krise plötzlich der Held des Tages.
Nach einem langen Einwurf spielte Florian Wirtz in den Strafraum zu Gakpo. Dessen flache Hereingabe in die Mitte landete wiederum beim Stürmer, der den Ball technisch sehenswert mit der Innenseite im kurzen Eck versenkte. 1:0. Sein erster Pflichtspieltreffer für Liverpool – und was für einer.
Isak beendet die Krise des FC Liverpool
Letztlich stoppte der formschwache englische Meister, der neun der vorherigen zwölf Spiele verloren hatte, so seine Negativserie. Gakpo traf in der Nachspielzeit zum 2:0-Endstand.
Damit kletterten die Reds in der Tabelle vom zwölften auf den achten Platz und konnten vorerst aufatmen. Sowohl das Team generell als auch Isak persönlich. Auf die Frage, ob sich das Tor wie eine Befreiung angefühlt habe, antwortete der 26-Jährige sofort mit „Ja”.
„Natürlich bin ich mir bewusst, dass es lange gedauert hat. Ich habe versucht, wieder zu meiner Bestform zurückzufinden. Ich bin noch auf dem Weg dahin, aber ich bin froh, dieses Tor erzielt zu haben“, sagte Isak: „Das beste Gefühl heute ist, dass wir das Spiel gewonnen haben. Das ist der beste Weg, um eine gute Stimmung innerhalb der Mannschaft zu schaffen. Das ist auch für den Einzelnen hilfreich.“
Die Zeitung Liverpool Echo bewertete Isaks Leistung mit der Note 7 (die Bestnote wäre die 10). Stärker als er waren ihrer Meinung nach nur Wirtz, Gakpo und Verteidiger Joe Gomez. „Es sah zumindest so aus, als hätte er seine Teamkollegen vor dem Spiel kennengelernt“, lautete die dazugehörige Begründung. Der Mirror feierte den schwedischen Nationalspieler schon weitaus mehr ab und titelte: „Alexander der Große!“
Liverpool: Isak und sein „großer Moment“
Wichtig war der Sieg für Liverpool – aber mindestens genauso wichtig für den Torschützen selbst. „Es war ein großer Moment für ihn“, sagte der ehemalige Profi Jamie Carragher bei Sky Sports: „Er hatte in der ersten Halbzeit Chancen, von denen er eine besser hätte nutzen müssen. Aber insgesamt hat Isak seine Sache wirklich gut gemacht. Er fand Räume im Strafraum, was nicht einfach war. West Ham hatte gefühlt alle Spieler hinter dem Ball.“
Der Wind hat sich plötzlich komplett gedreht. Noch vor einer Woche hatte Isak im Rahmen der „Horrorshow in Anfield”, der jüngsten Pleite gegen Nottingham Forest, eine 119 Jahre alte Negativmarke erreicht.
Jedes der vier Spiele, in denen der schwedische Nationalspieler in der Startelf stand, ging verloren. Zuletzt war dies Percy Saul im Jahr 1906 widerfahren, der damals frisch von Plymouth Argyle zu den Reds gewechselt war. Eine verheerende Bilanz für den 150-Millionen-Mann.
Findet Isak jetzt in die Spur?
Einer der Gründe dafür: Isak brauchte offenbar zwei Monate, um nach seinem Wechsel wieder in annehmbare Form zu kommen. Kleinere Verletzungen bremsten diesen Prozess immer wieder.
„Im Training sieht man – wenn er völlig ausgeruht ist – seine Qualität", verriet Trainer Arne Slot unlängst: „Ich muss die Balance finden zwischen dem, was am besten für ihn und was am besten fürs Team ist.“ Diese könnte er nun gefunden haben.
Was am besten für den Rekordeinkauf und das Team wäre, steht auf jeden Fall fest. Dass Isak nach dem Holperstart in die Spur findet und der Befreiungsschlag neues Selbstvertrauen bringt.
Denn noch ist die Krise längst nicht überwunden. Ein treffsicherer Torjäger, der endlich zeigt, wofür der Verein so tief in die Tasche gegriffen hat, wäre dafür wohl essenziell wichtig.