Wenn ein Medium wie das Wall Street Journal über die Subkultur des Wrestling berichtet, ist es etwas Wichtiges passiert.
WWE: Der gestürzte Ex-Boss kann noch sehr viel Schaden anrichten
Ex-Boss kann WWE noch sehr schaden
Wem es nicht gleich bewusst war, als ein renommiertes Investigativ-Team mit Pulitzer-Preisträger Joe Palozzolo im Juni über den aufziehenden Skandal um den langjährigen Liga-Mogul Vincent Kennedy McMahon berichtete, der merkte es einige Wochen später. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Der durch seine Schweigegeld-Affäre und mehrere schwere Vorwürfe sexueller Übergriffe bedrängte McMahon musste abtreten, nach fast 40 Jahren als scheinbar unantastbarer Herrscher über sein milliardenschweres Showkampf-Reich.
In dieser Woche hat das Wall Street Journal nachgelegt und wieder geht es um einen Vorgang von großer Tragweite. Kern der Sache: Die Geschichte von Vince McMahon und WWE ist noch nicht zu Ende - mit noch unabsehbaren Konsequenzen für die Zukunft des Unternehmens und der Wrestling-Landschaft.
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Vince McMahon zurück bei WWE? Das wäre skandalös
McMahon bereue seinen Rücktritt und hätte sich „schlecht beraten gefühlt“, berichtet das WSJ. Der 77-Jährige sei inzwischen sicher, dass sich die Vorwürfe gegen ihn „in Wohlgefallen aufgelöst“ hätten (obwohl parallel - sicher nicht zufällig - ein neuer enthüllt wurde). McMahon habe Vertrauten erzählt, dass er „ein Comeback vorhabe“. (HINTERGRUND: Mit diesem Doppelleben verspielte Vince McMahon seine Macht)
Schon der Gedanke ist bei allen unternehmerischen Verdiensten McMahons aberwitzig und skandalös, aus vielen Gründen. Der wichtigste: Ein Mann, der 7,5 Millionen Dollar Schweigegeld gezahlt hat, um den Vorwurf einer Ex-Wrestlerin, sie zu Oralsex genötigt zu haben, unter dem Deckel zu halten, sollte nicht mehr mitreden dürfen, wenn es um die Karrieren weiblicher Untergebener geht - schon gar nicht in letzter Instanz.
Als Realitätsverlust eines kaltgestellten Patriarchen kann man das alles dennoch nicht abtun, denn McMahon hat noch immer viel Macht, die Realität zu gestalten. Der Chefposten bei WWE ist zwar an Tochter Stephanie und den Ex-Medienmanager Nick Khan gegangen und die kreative Kontrolle über die Liga an seinen Schwiegersohn „Triple H“ Paul Levesque. Die Mehrheit der Unternehmensaktien und vor allem mehr als 80 Prozent der damit verbundenen Stimmrechte über wichtige Entscheidungen liegen aber immer noch beim Familienoberhaupt.
Die Vorstellung, dass dieses keine Ambitionen mehr hat, diesen Hebel einzusetzen, ist seit dieser Woche hinfällig. Es tobt weiter ein ungeklärter Machtkampf, bei dem von außen nicht völlig durchschaubar ist, wer wo steht. Auch nicht Levesque, der zuletzt unter McMahon halb ausgebootet war und seit seiner Beförderung zum „Chief Content Officer“ viele Entlassungen und andere Entschlüsse seines Schwiegervaters revidiert hat. Auch nicht Stephanie, um die es kurz vor dem Vince-Beben auch einige undurchsichtige Vorgänge gegeben hatte.
Ohne McMahon kann WWE nicht verkaufen - das hat Folgen
Mit Vinces Abgang schienen die Verhältnisse eigentlich geklärt und die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das Unternehmen auch ohne ihn florieren kann. Gerade auch der Konkurrenzkampf mit Herausforderer AEW läuft ohne den Ex-Boss besser statt schlechter.
Die Nachricht über McMahons Comeback-Pläne sorgt nun, nach allem, was man hört, nicht nur WWE-intern für Besorgnis - der gut informierte Journalist Dave Meltzer berichtet, dass selbst persönliche Freunde McMahons für geschäftsschädigend halten, dass er nicht auf dem Altenteil bleiben mag. Am Tag des Wall-Street-Journal-Veröffentlichung sank auch die Unternehmensaktie, aus logischen Gründen.
Das Hoch des WWE-Papiers in den vergangenen Monaten hatte vor allem auch damit zu tun, dass mit McMahons Abschied ein für die Anteilseigner lukrativer Verkauf von WWE näher zu rücken schien.
Vince McMahons aktuelle Ränkespiele schließen diesen Schritt nun aus: Verkauft er WWE, ist er weg vom Fenster. Und genau das will er ja nicht sein.
Die Zukunft von McMahons Lebenswerk hängt weiter am Willen seines Schöpfers. Dass dessen Geltungsdrang nicht verklungen ist, ist daher eine schlechte Nachricht für WWE: McMahon hat das Potenzial, das Unternehmen noch lange zu beschäftigen - und viel Schaden anzurichten.