Als die Presse nach dem Erstrunden-Debakel in Wimbledon Erklärungsversuche von Alexander Zverev verlangte, hatte Deutschlands Tennis-Star zwei Schuldige ausgemacht.
Gründe für Zverevs Sensations-Aus
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Sich selbst, vor allem aber (wieder einmal) Ex-Manager Patricio Apey.
"Die letzten zwei Tage waren sehr hart für mich. Was gerade los ist, ist abartig", sagte der 22-Jährige, nachdem er völlig überraschend gegen die Nr. 124 der Welt, Jiri Vesely, in vier Sätzen verloren hatte.
"Ich darf nichts Offizielles sagen. Es tut mir weh. Ich dachte, wir sind Freunde. Wie kann ein normaler Mensch so etwas tun?", meinte Zverev, ohne einen Namen zu nennen. Wen er meinte, war aber klar.
Zverev mit Vorwürfen gegen Ex-Manager
Bei Sky vermutete er gar Berechnung hinter dem erneuten Störfeuer seines Ex-Managers: "Das ist ja kein Geheimnis mehr. Er macht das extra, um mich runterzubringen. In den letzten zwei Tagen gab es tausende Dinge, die ich machen muss."
Mit Apey, dessen Gruppe Zverev zu Beginn des Jahres verlassen wollte, befindet sich Deutschlands Topspieler seit März im Rechtsstreit. Ein Ende ist nicht in Sicht: "Ich kenne die Lösung nicht."
Apey hatte den ATP-Finals-Sieger zuvor sechs Jahre lang betreut, der Vertrag mit der ACE Group des Chilenen läuft laut dessen Angaben noch bis 2023.
Noch Ende April hatte Zverev erklärt, die Situation habe sich "schon ein bisschen beruhigt". Doch das war offenbar ein Irrglaube.
Zverev bricht ein: "Schalte mich selber aus"
So spielte sich auf dem heiligen Rasen das nächste traurige Schauspiel ab (alle Wimbledon-Spiele im SPORT1-LIVETICKER).
Nach einem guten Beginn brach Zverev völlig ein und fand überhaupt kein Mittel. Dass er beim vorletzten Punkt nach seinem Aufschlag ausrutschte, war fast schon symptomatisch.
"Ich schalte mich selber aus", analysierte Zverev. "Ich fange sehr gut an, auf einmal passiert etwas. Dann fange ich an, viel schlechter zu spielen, bin unkonzentriert und denke über viel zu viel nach", haderte die Nummer 5 der Weltrangliste.
Rechtsstreit belastet Zverev
Bereits im April hatte er erklärt: "Ich bin in einem Loch, und ich weiß nicht, wie ich herauskomme."
So wirklich herausgekämpft hat er sich daraus bis heute nicht, trotz des Viertelfinal-Einzugs bei den French Open. Der schwelende Rechtsstreit schwebt immer über ihm, er ist weiterhin sein eigener Manager. Das macht sich bemerkbar.
"Ich habe letztes Jahr aus einem Grund so gut gespielt: Ich hatte nichts anderes zu tun außer Tennis", berichtete Zverev noch im Mai.
Das wirft allerdings die Frage auf, ob ihn sein eigenes Team um Coach Ivan Lendl und seinem Vater genügend unterstützt.
Vater fehlt in Wimbledon
Vor den French Open hatte Zverev geklagt, man sei "weit entfernt von aller Professionalität" gewesen. Nun betonte er fast demonstrativ: "Mit meinem Team bin ich zufrieden."
Coach Ivan Lendl, der die Sandplatzsaison in Europa wegen einer Allergie noch ausgelassen hatte, verfolgte das Geschehen gewohnt stoisch und hilflos.
Sein Vater habe sich "ein paar Wochen freigenommen", erklärte Zverev auf Nachfrage. Deutschlands Tennis-Topstar scheint auch das allerdings zu schaffen zu machen.
Bereits im April, als der Vater "zum ersten Mal in meinem Leben ein paar Wochen" nicht bei ihm war, war ihm das anzumerken.
Tsitsipas und Zverev bestätigen Becker
Zverevs Probleme außerhalb des Platzes mögen durchaus schwerwiegend sein und ihn belasten, doch der Wimbledon-Auftakt bestätige auch Boris Beckers These.
Die Tennis-Legende hatte Mentalitäts- und Einstellungsprobleme bei den Top-Talenten um Kyrgios, Zverev & Co. vermutet.
"Die Jungen sollten mal auftauchen, aber sie haben einfach nicht die Mentalität, die die anderen drei haben. Es geht nicht um Vorhände oder Fitness. Die Einstellung macht den Unterschied zwischen Gewinnen und Verlieren aus", forderte Becker.
Es passte ins Bild, dass neben Zverev auch Stefanos Tsitsipas in Wimbledon krachend in der ersten Runde scheiterte. Der 20 Jahre alte Grieche erlebte gegen Thomas Fabbiano (Italien) ebenfalls eine Bruchlandung.
Vesely: "Unglaubliches Match gespielt"
Neben dem mentalen Aspekt bemängeln Experten auch den fehlenden Plan B. Die jüngeren Spieler haben zu wenig Variationen, setzen auf Aufschlag und ihre Power-Grundschläge.
Zverev schlug im ersten Satz neun Asse, gewann 95 Prozent seiner Punkte nach dem ersten Aufschlag, ließ keinen einzigen Breakball zu und nutzte beim Stand von 5:4 seine erste Chance, um Vesely dessen Aufschlag abzunehmen.
Doch im zweiten Durchgang kippte das Match. Vesely drehte auf, Zverev agierte hilflos und fehlerhaft, beklagte sich über eine vermeintliche Fehlentscheidung. "Ich habe ein unglaubliches Match gespielt, von vorne bis hinten", sagte Vesely anschließend.
Zverev wiederum wollte sich nur noch verkriechen: "Mein Selbstbewusstsein ist unter Null. Ich gehe irgendwo hin, wo mich keiner finden kann."