Als Jeremie Frimpong, der Mann, der den Kapitän des FC Bayern München aus dem Spiel genommen hatte, mit der Musikbox auf der schmalen Schulter aus der Allianz Arena tanzte, war Manuel Neuer längst über alle Berge.
Wie geht es mit Neuer weiter?
Frustriert und enttäuscht verließ der 38-Jährige am späten Dienstagabend als einer der Ersten die Allianz Arena, nachdem der Rekordmeister kurz zuvor gegen Bayer Leverkusen aus dem Pokal ausgeschieden war. Der Grund: In seinem 867. Profispiel kassierte der Torhüter erstmals einen Platzverweis.
Keine 20 Minuten waren gespielt, als Neuer aus dem Strafraum eilte, um den pfeilschnellen Frimpong rechtzeitig am Schuss zu hindern. Das gelang ihm auch - allerdings nur, indem er den Niederländer mit voller Wucht zu Boden rammte. Im hohen Sportleralter trugen ihn seine Beine nicht mehr so schnell wie früher, er kam einen Schritt zu spät.
Zufall war das aber nicht. Vielmehr sei „die Situation mit der Roten Karte für Neuer“ geplant gewesen, ließ Jonathan Tah später verlauten. Doch der Weltmeister von 2014 fasste sich zur Verwunderung vieler Fans und Experten nicht an die eigene Nase.
„Die Zeit geht auch an Manuel Neuer nicht vorbei“
„Er läuft in mich rein und versucht, das dankend anzunehmen“, betonte Neuer bei Sky und sagte anschließend in der Mixed Zone: „Ich stand da. Ich habe keine aktive Foulsituation kreiert.“
Eine recht abenteuerliche Sicht der Dinge - und nicht das erste Mal, dass der Bayern-Keeper nicht selbstkritisch mit eigenen Fehlern umgeht. Ob im Champions-League-Halbfinale bei Real Madrid, bei der Pleite bei Aston Villa oder jetzt im Pokal gegen Leverkusen: Neuer suchte die Schuld nie bei sich selbst. Gegenwind gab es deswegen jedes Mal. Fragen nach seiner ungewissen Zukunft ebenso. Auch diesmal.
Ob Neuer den Münchnern in den ganz großen Spielen überhaupt noch helfen kann? Mario Basler sieht trotz der fragwürdigen Aktionen keinen Grund, an Neuers Stellung zu rütteln, sagte aber auch, dass der Schlussmann der Bayern „nicht mehr die hundertprozentige Qualität wie vor fünf Jahren“ habe.
„Die Zeit geht auch an Manuel Neuer nicht vorbei“, schilderte Basler im Gespräch mit SPORT1 und nannte den gerade in Stuttgart spielenden Alexander Nübel als einzige echte Option für die langfristige Perspektive.
Im kommenden Sommer läuft das Arbeitspapier des gebürtigen Gelsenkircheners aus - und während die Verkündung der letzten Verlängerung 2023 bereits Ende November bekannt gegeben wurde, ist es in dieser Richtung still.
Jamal Musiala (Vertragsende 2026) und Joshua Kimmich (Vertragsende 2025) haben diesbezüglich absolute Priorität. Doch wie geht es mit Neuer weiter? Müssen die Bayern vielleicht sogar darauf hoffen, dass die Nummer eins freiwillig die Fußballschuhe an den Nagel hängt, um unangenehmen Dialogen aus dem Weg zu gehen?
Neuer und Nübel zusammen undenkbar
Dass es noch ein Jahr gibt, in dem sowohl Neuer als auch Nübel an der Säbener Straße trainieren, gilt als undenkbar. Zur Erinnerung: Während ihrer bislang einzigen gemeinsamen Zeit wurde im Sommer 2020 berichtet, der damalige Sportdirektor Hasan Salihamidzic habe dem jungen Torhüter eine bestimmte Anzahl an Einsätzen schriftlich garantiert.
Doch Neuer reagierte darauf trotzig. „Ich bin Sportler, ich bin Profi - und ich will immer spielen“, sagte er und fügte hinzu: „Ich bin kein Statist, sondern Protagonist.“
Neuer räumte zwar ein, dass er das nicht alleine entscheiden könne. Hinter vorgehaltener Hand soll aber der Satz gefallen sein: „Dem (Nübel; Anm. d. Red.) schenke ich kein Spiel!“
Ein Wirkungstreffer des Platzhirsches. In der Saison 2020/21 absolvierte Nübel unter Hansi Flick nur vier Partien - darunter die erste Pokalrunde gegen den damaligen Fünftligisten 1. FC Düren und das bedeutungslose Heimspiel gegen den SC Freiburg, als die Bayern bereits als Meister feststanden.
Deshalb wurde Nübel im Jahr darauf auf Leihbasis nach Monaco geschickt, der Übergang zwischen den Pfosten scheiterte krachend.
Der soll bald nachgeholt werden. Wann genau, ist allerdings noch völlig offen. Immerhin befinden sich die Bayern in einer komfortablen Position. Im April verlängerte der Rekordmeister Nübels Vertrag vorzeitig um weitere vier Jahre und hat ihn damit bis 2029 an den Verein gebunden. Bis zum 30. Juni 2026 wird der Torhüter an den VfB ausgeliehen.
Wie Stuttgarts Geschäftsführer Alexander Wehrle bestätigte, könnte Nübel aber bereits im Sommer 2025 nach München zurückkehren, sollte Neuer seine Karriere beenden oder sein Vertrag nicht verlängert werden.
Neuer? Verein will keinen öffentlichen Konflikt
Derzeit zögern die Bosse an der Säbener Straße noch, Neuer klar und deutlich zu sagen, dass sie sich eine Wachablösung zwischen den Pfosten vorstellen können. Schließlich hat der frühere Nationalkeeper einen nach wie großen Einfluss bei den Bayern, wenngleich dieser seit der Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalovic - beide gelten als gute Freunde - im Januar 2023 und dem anschließenden Streit geschrumpft ist.
„Für mich war das ein Schlag, als ich schon am Boden lag“, sagte Neuer einmal, als er wegen eines Beinbruchs mehrere Monate ausfiel.
Fest steht aber auch, dass die Entscheidung über Neuers Zukunft nicht in einem öffentlichen Konflikt ausgetragen werden soll. Der Routinier gehört zu den absoluten Identifikationsfiguren und hat bereits 540 Pflichtspiele für den Verein bestritten.
Da ist es nur logisch, dass man ihm von Vereinsseite aus einen möglichst großen Abschied ermöglichen möchte - egal ob 2025, 2026 oder noch später. Die kommenden Wochen dürften Aufschluss über den genauen Zeitpunkt geben.