Rund 40 Minuten dauerte es, bis sich einer der BVB-Verantwortlichen in der Mixed Zone den Fragen der mitgereisten Journalisten stellte. Sportdirektor Sebastian Kehl stapfte schwermütig und mit gesenktem Kopf Richtung Mikrofone.
Hat Sammer das Sahin-Aus besiegelt?
Der 44-Jährige sprach mit leiser und trauriger Stimme, dennoch klar. Bei der zweiten Frage wurde Kehl dann aber stutzig - angesprochen auf die mehr als deutlichen Aussagen von Matthias Sammer, der an diesem Abend als TV-Experte an der Seitenlinie stand.
„Ich habe die Aussagen von Matthias nicht gehört, deshalb kann ich nichts dazu sagen“, meinte Kehl kopfschüttelnd. Klubintern sorgen die Worte von Sammer für großes Unverständnis.
BVB-Berater Sammer verpasst Sahin verbale Ohrfeige
„Die Mannschaft ist körperlich und geistig in einer Nicht-Verfassung. Das muss man einfach sagen. Wenn du das heute siehst, da ist die Grundlage nicht da“, polterte Sammer und wetterte somit gegen die Mannschaft, Spieler und vor allem auch gegen Nuri Sahin. Denn klar ist: Der Europameister warf dem Ex-Trainer vor, dass seine Mannschaft physisch und mental nicht auf der Höhe wäre – eine Ohrfeige für Sahin.
Dass Sammer so deutliche Worte wählt, ist an sich nichts Neues, und grundsätzlich nichts Schlechtes in seiner Rolle beim Fernsehen. Doch Sammer ist eben nicht nur TV-Experte, sondern auch externer Berater des BVB, besser gesagt Berater von Dortmund-Boss Hans-Joachim Watzke.
Eine Kombination, die Lothar Matthäus sehr kritisch beurteilt. „Sammer ist Berater der Geschäftsführung, sitzt in der Bundesliga oben auf der Tribüne, aber in der Champions League ist er Experte bei Amazon”, meinte der Rekordnationalspieler bei Sky: „Er hat recht, wenn er Kritik übt, aber die Konstellation, die man in Dortmund zulässt, ist ein Problem.“
Überschritt Sammer seine Kompetenzen?
Der 57-Jährige macht häufig seinen Einfluss geltend, auch wenn er nicht operativ eingreifen will und darf. Doch genau das hat er mit seinen Aussagen nun eben getan.
Denn dass Sammer über das weitere Vorgehen der Bosse im Falle einer Niederlage informiert gewesen ist, darf anzunehmen sein. Ob er so heftige Aussagen getätigt hätte, wenn die Trennung noch unsicher gewesen wäre, darf zumindest angezweifelt werden.
So entsteht der Eindruck, als hätte Sammer die - vermutlich schon getroffene - Entscheidung nahezu selbst verkündet – ein absolutes No-Go und ein Eingriff ins operative Geschäft.
Sahin schießt auf PK folgerichtig zurück
Auch wegen der deutlichen Worte ließ sich Sahin auf der anschließenden Pressekonferenz zu Aussagen wie „Nebenkriegsschauplätzen“ hinreißen – eine Attacke in Richtung Führung.
Nach den Aussagen von Sahin und Sammer war klar: Ein Weiter so kann es unter keinen Umständen mehr geben.
Es scheint so, als hätte Sammer, der laut SZ-Berichten ohnehin Vorbehalte gegenüber Sahin gehabt haben soll, die endgültige Trennung beschleunigt, vielleicht sogar beschlossen. Und genau das würde seinen Kompetenzbereich deutlich überschreiten.
Als er am Ende seiner Brandrede zurückruderte und die Sache etwas entschärfen wollte, war das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Sahin-Aus verlief anders als geplant
Der Plan war allerdings ein anderer. „Trotzdem werden wir uns jetzt in Ruhe zusammensetzen und dann eine Entscheidung treffen, wie wir weitermachen“, erklärte Kehl. Am Mittwoch wollten sich die Bosse um Lars Ricken, Kehl und Sahin noch einmal in Dortmund-Brackel zusammensetzen.
Die Entscheidung wäre wohl auch ohne die Sammer-Aussagen nicht anders ausgefallen. Doch das Ende hätten sie sich mit Sicherheit rühmlicher vorgestellt. Und selbst wenn die Verantwortlichen auch nur einen kurzen Moment gezögert hätten, um Sahin vielleicht doch noch eine letzte Chance zu geben, es wäre vermutlich zu diesem Zeitpunkt wohl kaum mehr möglich gewesen.
Bis Sommer hat Matthias Sammer noch einen Vertrag bei Borussia Dortmund. Ob er nach dem Ausscheiden von Watzke weiterhin im Verein tätig bleibt, ist noch offen. Klar dürfte aber sein: Die Bosse um Ricken und Co. werden den Auftritt ihres Beraters sicherlich nicht so schnell vergessen.