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FC Bayern "Behind the Legend" bei Amazon: Viel Eigenlob, Futter für die Hasser - eine Rezension

Wer Bayern hasst, bekommt hier neues Futter

Die Amazon-Doku „Behind the Legend“ zeigt viel Eigenlob des FC Bayern und unterhält. Aber nicht nur bei Flick und Salihamidzic zeigt sie Schwächen.
In der Doku "FC Bayern - Behind The Legend" spricht Hansi Flick in der Halbzeit des Viertelfinal-Rückspiels gegen PSG in der CL-Saison 2020/21 zum Team. Die Doku gibt es ab 2.11. exklusiv bei Prime Video.
Die Amazon-Doku „Behind the Legend“ zeigt viel Eigenlob des FC Bayern und unterhält. Aber nicht nur bei Flick und Salihamidzic zeigt sie Schwächen.

Ich bin jetzt mal gemein, ich spoilere: In der neuen Bayern-Doku auf Amazon Prime wird enthüllt, dass die Bayern die Größten sind. Sogar wenn sie verlieren, sind sie es.

Denn Bayern-Niederlagen, lernen wir in der Serie, die gestern gestartet ist, dienen nur einem Zweck: die Bayern anschließend noch größer werden zu lassen. Darum geht‘s im Wesentlichen. (EXKLUSIV: Regisseur der Bayern-Doku verrät: „Da hat es geknallt“)

„Behind the Legend“ feiert den FC Bayern

Sechs Folgen lang wird viel gewonnen, oft mit Thomas Müller gelacht, ab und zu Spielern ins Ohr gezwickt, und es wird sehr viel von sich selbst gehalten. Die fünf Stunden sind dichter mit Eigenlob der Bayern überzogen als mein morgendliches Toastbrot mit Nutella, und das will was heißen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Wobei, eigentlich war das gar kein richtiger Spoiler. Der echte Spoiler der Doku ist ihr eigener Titel, und der kommt ja nicht von mir: „Behind the Legend“.

Ich habe mich gleich gefragt: Muss man sich wirklich selber Legende nennen? Und wieso auf Englisch? Im Film erfahre ich von Uli Hoeneß persönlich: Das Wichtigste am FC Bayern sind die eigenen Fans. Sprechen die jetzt alle Englisch? Ich bin verwirrt. (BERICHT: Das sagt Hoeneß zur Bayern-Doku)

Bihaind Se Lädschend!

Kaum hat der FC Bayern was gemeint, ist es schon Fakt

Vielleicht ist es aber auch ganz gut, dass die Doku so heißt. Da weiß man gleich, was auf einen zukommt: eine Supermacht. Sie regiert immer, vom Anfang der ersten bis zum Ende der letzten Folge, von Neudecker bis Kahn. „Der Erfolg nährt den Erfolg“, sagt der Olli. Ein top Crashkurs für all die ahnungslosen Neulinge auf Amazon.

Am Ende einer seiner Ausführungen angelangt, sagt Franz Beckenbauer in meiner Lieblingsszene der Doku: „Das ist meine Meinung.“ Dann überlegt der Kaiser kurz und fügt an: „Und so ist es auch!“ Besser kann man diesen Verein eigentlich nicht beschreiben: Kaum hat der FC Bayern was gemeint, ist es schon Fakt.

Natürlich ist das ein bisschen ungerecht. Jeder weiß: Die Bayern sind wirklich die Größten. Ich habe gestern über den Tag verteilt alle sechs Folgen angeguckt und sie dabei unzählige Titel gewinnen sehen, und als am Abend meine Augen glühten, hauten mir die Münchner noch ein 5:2 gegen Lissabon um die Ohren. Sie stehen damit zum 18. Mal in Folge in der K.o.-Runde der Champions League. Ende der Beweisführung.

Alaba im Auto, Gags von Müller, Boateng kämpft mit Tränen

Damit das jetzt nicht falsch rüberkommt: Es gibt viele schöne Momente, die Doku ist oft nah dran. Wenn sie darf. Zum Beispiel: David Alaba sitzt in einem Audi-PS-Monster und zitiert aus der Bibel. Oder „Radio Müller“, der seine großartigen Gags macht. Oder als Jérôme Boateng bei seinem letzten Spiel für die Bayern mit den Tränen kämpft.

Ich weiß jetzt außerdem, dass unsere Kinder nicht in chaotisch unordentlichen Zimmern leben, sondern sich nur am Zustand der Umkleideschränke von Bayern-Profis orientieren. Danke dafür.

Ich fand auch lustig, dass Sportchef Hasan Salihamidzic, als er zum Geheimtreffen mit dem künftigen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann herangefahren kommt, plötzlich anmerkt, Nagelsmann stehe da herum „wie so‘n Schüler“. (BERICHT: Salihamidzic erlaubt sich Scherz mit Haaland)

Flick vs. Salihamidzic: Hat Amazon diese Folge einfach nicht hochgeladen?

Ja, ich fühlte mich tatsächlich ganz gut unterhalten: Der positive Teil der Bayern-Welt ist hinreichend abgedeckt. Nur vom Rest fehlt halt was.

Ich war besonders erstaunt, dass das größte Problem der gesamten Flick-Ära unter den Tisch gefallen ist. Hatten Salihamidzic und Hansi Flick am Ende womöglich gar keine problematische Beziehung - oder hat Amazon diese Folge einfach noch nicht hochgeladen? (BERICHT: Kahn verrät: Bei Flick ging es „heftig zur Sache“)

Und Leroy Sané, der in München so große Startschwierigkeiten hatte: In „Behind the Legend“ ist der Mann eine Vollgranate vom Start weg. Kein Problem weit und breit.

Viele Happy Endings

Am interessantesten finde ich, dass alle fast durchgehend gut gelaunt sind, was diese Doku von vergleichbaren Werken - z. B. „Sunderland til I Die“, „All Or Nothing: Tottenham Hotspur“ oder „Take Us Home: Leeds United“ - stark unterscheidet.

Obwohl: Die anderen sind ja auch selber schuld, wenn sie nicht dauernd gewinnen. Oder keinen Robert Lewandowski kaufen.

Die Geschichte des Rekordmeisters, das weiß bald sogar im fernen Kirgistan jeder Prime-Abonnent, beginnt mit einem Happy End, und sie endet auch mit einem. Und dazwischen gibt es viele weitere Happy Endings.

Wer Bayern liebt, wird die Doku lieben

Ich glaube, eine ausgewogene und selbstkritische FC-Bayern-Doku in Abstimmung mit dem FC Bayern zu machen, das war eine unlösbare Aufgabe. Das ist, als würdest du versuchen, kein Tor gegen Fürth zu schießen.

So gesehen, ist das Stück wohl doch ganz gut geworden. Ein bisschen unübersichtlich und geschichtsüberladen an manchen Stellen, aber auf jeden Fall ausgeglichen: Wer die Bayern liebt, wird diese sechs Folgen lieben. Und wer sie hasst, kriegt eine Menge neues Futter angesichts so viel Selbstdarstellung.

In der Galaxie des Fußballs ist der FC Bayern eben alle Sonnen und alle Planeten gleichzeitig. Der luftleere Raum dazwischen, das sind dann wohl die anderen.

Alex Steudel ist freier Journalist in Hamburg. Er war Bayern- und Nationalmannschaftsreporter und Chefredakteur von Sport Bild. Heute widmet er sich in seiner Kolumne für SPORT1 auf nicht immer ganz ernstgemeinte Weise aktuellen Fußball-Themen. Die besten Steudel-Texte gibt‘s auch als Buch: Infos und Bestellung hier.

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