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Kaiserslautern: "Warum sollte es nicht das Wunder von Berlin geben?" Martin Wagner im exklusiven SPORT1-Interview vor dem DFB-Pokal-Finale

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Kaiserslautern: "Warum sollte es nicht das Wunder von Berlin geben?" Martin Wagner im exklusiven SPORT1-Interview vor dem DFB-Pokal-Finale

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Wunder von Berlin: „Warum nicht?“

Martin Wagner spielte viele Jahre für den 1. FC Kaiserslautern, der am Samstag im DFB-Pokalfinale auf Leverkusen trifft. Im exklusiven SPORT1-Interview übt Wagner scharfe Kritik und rechnet mit einer Vereinslegende ab.
Der 1. FC Kaiserslautern trifft im DFB-Pokalfinale auf Bayer Leverkusen, die erst am Mittwoch ihre erste Saisonniederlage hinnehmen mussten.
Reinhard Franke
Reinhard Franke
Martin Wagner spielte viele Jahre für den 1. FC Kaiserslautern, der am Samstag im DFB-Pokalfinale auf Leverkusen trifft. Im exklusiven SPORT1-Interview übt Wagner scharfe Kritik und rechnet mit einer Vereinslegende ab.

Natürlich wird Martin Wagner am Samstagabend beim DFB-Pokalfinale zwischen seinem 1. FC Kaiserslautern und Bayer Leverkusen (ab 20 Uhr im LIVETICKER) im Berliner Olympiastadion sein. Der Pfälzer Traditionsverein ist schließlich tief in seinem Herzen verankert. Von 1992 bis 2000 spielte Wagner für den FCK. Mit den Roten Teufeln wurde er Pokalsieger - 1996 erzielte er per Freistoß den 1:0-Siegtreffer gegen den Karlsruher SC - und Deutscher Meister. Nach dem Abstieg 1996 war er der erste Spieler, der sagte, dass er bleibt.

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Vor dem Pokalfinale spricht der 56-Jährige im exklusiven SPORT1-Interview über Friedhelm Funkel, seine Liebe zu Lautern und legt dabei auch den Finger in die Wunde. Mit einer Vereinslegende rechnet Wagner ab.

SPORT1: Herr Wagner, der 1. FC Kaiserslautern ist krasser Außenseiter im DFB-Pokal-Finale gegen Bayer Leverkusen. Wie groß ist die Chance auf ein Wunder von Berlin?

Martin Wagner: Es gab das Wunder von Bern. Warum sollte es nicht auch das Wunder von Berlin geben? Egal, ob im Fußball, im Sport oder im Leben, man hat immer eine Chance. Für mich liegt sie darin, dass der FCK nichts zu verlieren hat.

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SPORT1: Hinter dem FCK liegt keine einfache Saison. Zum Saisonabschluss am vergangenen Sonntag hat der FCK beim 5:0-Heimsieg gegen Eintracht Braunschweig gezeigt, wozu er in der Lage sein kann, wenn er ohne Druck spielt. Sehen Sie das ähnlich?

Wagner: Man konnte am Sonntag die Qualität der Mannschaft sehen. Sie ist ein fußballspielendes Team, das aus meiner Sicht nicht nur gegen den Abstieg spielen kann, sondern ein unglaublich gutes Potenzial hat. Aber Fußballspielen fängt mit Arbeiten gegen den Ball an, und da hat die Mannschaft des Öfteren Probleme gezeigt.

SPORT1: Die Gala gegen Eintracht Braunschweig war ein großartiger Abschluss der Saison. Wie viel Motivation kann das für das Pokalfinale sein?

Wagner: Es ist doch so: Im Grunde gibt es keine Chance. Der FCK kann befreit aufspielen. Wenn man eine Klatsche bekommt, ist es normal, wenn es ein enges Spiel wird, dann war es ein Teilerfolg. Wenn sie gewinnen sollten, wäre das eine absolute Sensation. Im Sport ist zwar nicht alles möglich, aber vieles ist dennoch erreichbar. Es ist jetzt genau dieser eine Tag, dieser eine Moment, der über ein ganzes Jahr entscheiden kann. Der Druck liegt bei Bayer Leverkusen, nicht beim FCK. Das ist genau dieses eine Prozent, das am Ende den Unterschied ausmachen kann, um Pokalsieger zu werden.

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Wagner verliebte sich in die roten Teufel

SPORT1: Kaiserslautern ist Ihr Herzensverein. Warum?

Wagner: Wenn man liebt, liebt man richtig. Oder gar nicht. Ich kenne nur Liebe, die hundertprozentig wahr ist. Ich habe dem 1. FC Nürnberg viel zu verdanken, das war schließlich meine erste Profistation, und dort habe ich mich unglaublich wohlgefühlt. Hätte der Club damals keine finanziellen Probleme gehabt, wäre ich auch geblieben. Ich habe gedacht, dass eine Steigerung danach nur schwer möglich sein würde. Doch dann bin ich nach Kaiserslautern gewechselt, wo ich mich auf Anhieb in die Stadt und die Menschen verliebt habe. Dieses Gefühl wird so lange bleiben, wie mein Herz schlägt und ich atmen kann. Die Leute in der Pfalz sind einfach großartig, und ich liebe die alten Zeiten und den Verein.

Martin Wagner
Martin Wagner

SPORT1: Sie sind immer noch ein Fanliebling, stehen bei den Spielen oft im Block. Warum haben Sie so ein Standing bei den Anhängern?

Wagner: Der Mensch gibt das zurück, was ihm nahe liegt. Als Spieler habe ich auf dem Platz immer hundert Prozent gegeben, so kennt man mich. Darüber hinaus habe ich nie vergessen, wo ich herkomme. Ich bin in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und habe diese auch immer gerne gelebt. Kaiserslautern ist eine Kleinstadt, die davon gelebt hat, dass man zueinander hält, füreinander einsteht und auch mal Fehler verzeiht. Wie damals nach dem Abstieg, als ich als Erster gesagt habe, dass ich bleibe. Das werden mir die Leute nie vergessen.

SPORT1: Sind sie enttäuscht, dass man Ihnen bisher noch keinen offiziellen Posten wie Teammanager oder Sportdirektor angeboten hat?

Wagner: Schon sehr enttäuscht. Denn die Verantwortlichen der letzten Jahre kennen mich auch. Das Einzige, wofür ich gut war, war damals, als ich mich in der schlimmsten Krise des Vereins hinter sie gestellt und als Aufsichtsrat Verantwortung übernommen habe. Ich habe dem Verein immer kostenlos meine Dienste zur Verfügung gestellt. Natürlich bin ich daher enttäuscht. Ich bin damals sogar so weit gegangen, dass wir ohne D&O-Versicherung (Berufshaftpflicht für unter anderem Aufsichtsräte, Anm. d. Red.) gearbeitet haben.

SPORT1: Das heißt?

Wagner: Wir alle, auch Reiner Keßler (aktueller Aufsichtsratsvorsitzender, Anm. d. Red.) und Markus Merk (ehemaliges Aufsichtsratsmitglied, Anm. d. Red.), haben mit unserem Privatvermögen gebürgt. Ich habe dem Verein alles gegeben, was ich geben konnte. Daher bin ich auch vom einen oder anderen enttäuscht. Mir hätte die Entscheidung gegeben werden müssen, das ist leider nie passiert. Ich hätte diese Chance verdient, und deswegen bin ich von gewissen Personen enttäuscht, aber nicht vom Verein oder den Menschen.

„Für mich ist dieser Mensch gestorben“

SPORT1: Gerry Ehrmann ist der Pokalbotschafter des FCK. Hätten Sie diese Rolle auch gerne übernommen?

Wagner: Vom Herzen her wäre ich das gerne gewesen, hätte man mich dazu berufen. Gerry hat dem Verein 36 Jahre lang seine Dienste zur Verfügung gestellt. Als wir ihn damals entlassen mussten, wurde mir danach übel mitgespielt. Ich mag es nicht, wenn sich Leute über einen auslassen. Ich schätze Gerry sehr, aber was er über mich gesagt hat, werde ich ihm nie verzeihen. Für mich ist dieser Mensch gestorben.

SPORT1: Das sind harte Worte. Ehrmann liebt den FCK wie Sie.

Wagner: Er hat sich zu einem Thema geäußert, zu dem er sich nie hätte äußern dürfen. Gerry hat auch über meinen an Alkohol verstorbenen Bruder gesprochen und dabei Dinge auf mich projiziert. Solche Äußerungen verletzen mich zutiefst. Auch wenn er sie vielleicht anders darstellt und nicht so gemeint hat, verbitte ich mir solche Aussagen.

SPORT1: Gibt es eine Chance auf ein klärendes Gespräch?

Wagner: Nein, wir haben uns bei der Ernennung der Ehrenmitglieder gesehen. Er war mit seiner Lebensgefährtin dort. Ihr habe ich die Hand gereicht, ihm würde ich meine Hand nicht mehr geben. Wenn es etwas gibt, das ich in meinem Leben bin, dann konsequent. Er braucht mich nicht in seinem Leben, und ich brauche ihn nicht in meinem.

Vereins-legende kritisiert Schuster-Entlassung

SPORT1: Hinter dem FCK liegt eine schwere Saison, die zum Glück noch gut ausging. Was war Ihrer Meinung nach der große Fehler, den man gemacht hat?

Wagner: Die Saison begann mit zwei Auftaktniederlagen. Dann kämpfte sich das Team zurück und legte eine Siegesserie hin, sodass es zeitweise auf dem zweiten oder dritten Platz in der Tabelle stand. Dann kam das Spiel in Düsseldorf, bei dem Lautern mit 3:0 führte, aber am Ende 3:4 verlor. Eine Woche später führte der FCK 3:1 gegen den HSV, aber am Ende stand es 3:3. Daraufhin wurde meiner Meinung nach Dirk Schuster zu früh entlassen. Das lässt sich mit einer Situation bei Bayern München vergleichen: Nagelsmann wurde entlassen, obwohl er noch drei mögliche Chancen hatte, den Titel zu holen, was ebenfalls zu früh war.

Martin Wagner spielte acht Jahre lang für Kaiserslautern
Martin Wagner spielte acht Jahre lang für Kaiserslautern

SPORT1: Dann kam Dimitrios Grammozis.

Wagner: Grammozis war eine absolute Fehlbesetzung, das hat überhaupt nicht gepasst. Das weiß Thomas Hengen mittlerweile auch selbst. Zum Glück hat Friedhelm Funkel das Ruder noch einmal herumgerissen. Auch bei der Personalie ‚Sportlicher Leiter‘ hat man nicht ganz glücklich gelegen. Bis zu dem Zeitpunkt, als Thomas weg von der Bank auf die Tribüne ging, hat es noch gut funktioniert. Unten auf der Bank konnte er noch Einfluss nehmen, er war der Mannschaft sehr nahe. Was dann passiert ist, sind die kleinen Dinge, die während der Saison nicht passieren sollten. Wenn im Verein oder in der Mannschaft Unruhe herrscht, dann kann es auf dem Platz nicht funktionieren. Wenn der Kopf nicht mitspielt, dann gehorchen auch die Beine nicht.

SPORT1: Lag auch ein Grund für diese Unruhe bei Enis Hajri? Er bekam am Sonntag ein deutliches Signal von den Fans, dass sie ihn nicht wollen. Friedhelm Funkel hatte ihn zuletzt auf die Tribüne verbannt.

Wagner: Die Fans sind sehr feinfühlig und ehrlich. Und das, was sie am Sonntag verlautbart haben, sagt viel über das aus, wie der Zustand ist.

„Das weiß Hengen mittlerweile auch selbst“

SPORT1: Wie ist Ihr Gefühl? Hajri soll für eine schlechte interne Stimmung gesorgt haben. Wie sehen sie ihn?

Wagner: Es gibt Typen, die nicht in ein Konstrukt und letzten Endes nicht in einen Verein passen. Ich kenne Hajri nicht persönlich, muss aber aufgrund des Saisonverlaufs sagen, dass er eine gewisse Rolle spielt. Es gibt Spieler, die nicht in den Verein passen, und es gibt Sportdirektoren, die nicht in eine Mannschaft passen. Wenn man das Ergebnis betrachtet, erkennt man, dass er nicht die richtige Person war. Trotzdem hat man das Pokalfinale erreicht und die Klasse erhalten, aber man hätte sich viel Unruhe ersparen können.

SPORT1: Muss sich auch Thomas Hengen hinterfragen? Bei den Wintertransfers hat er kaum ein glückliches Händchen bewiesen.

Wagner: Ich glaube, das macht er schon. Thomas ist ein kluger Mann, der schwierige Entscheidungen treffen musste. Schon damals beim Trainerwechsel in der Relegation zu Dirk Schuster hat er Eier bewiesen. Was mir beim FCK fehlt, ist eine klare Handschrift, eine Hierarchie in der Mannschaft. Sie haben eine Menge guter Einzelspieler, aber mir fehlt die Heimdominanz.

SPORT1: Hengen hat sich nach dem letzten Saisonspiel mit den Fans angelegt, weil ihm das Banner gar nicht gefallen hat. Ist es gefährlich, was er da macht?

Wagner: Auf jeden Fall. Das Faustpfand des Vereins war immer der Zusammenhalt und die Gemeinschaft. Die Fans waren immer für den FCK da, in guten wie in schlechten Zeiten. Wenn man sich jetzt allein gegen die Mehrheit stellt, dann ist das ein gefährlicher Weg, den Hengen geht.

SPORT1: Was muss passieren, damit der FCK in der nächsten Saison in Richtung obere Hälfte kommt? Viele Fans wünschen sich wieder einmal eine ruhige Saison wie unter Dirk Schuster, in der sich etwas entwickelt.

Wagner: Sie brauchen einen sehr guten Torwart, mit ihm fängt eine gute Abwehr an. Beide Torhüter haben der Mannschaft nicht die Stabilität gegeben, die sie gebraucht hätte, um souveräner aufzutreten. Dann braucht der FCK sicher zwei, drei richtig stabile Spieler, die der Mannschaft ein gewisses Format und Gesicht verleihen. Und den Rest muss man sukzessive austauschen. Das Allerwichtigste ist, dass die Mentalität der Spieler zueinander passt. Das ist schwierig, da muss Thomas Hengen ein gutes Feingefühl haben. Und er muss auch daran denken, was das Budget hergibt. Ich verstehe nicht, warum der FCK nicht den Weg gegangen ist, skandinavische Spieler zu holen, mit denen ist man immer gut gefahren. Genau diese Spieler verkörpern die Art Mentalität, die beim FCK gefragt ist.

SPORT1: Mainz 05 hatte zuletzt großen Erfolg mit dänischen Trainern. Wäre das nicht auch eine Option für den FCK?

Wagner: Für mich ist es wichtig, dass der Trainer neben einer gewissen Qualifikation auch die richtige Mentalität hat. Wenn ich den Trainer von Mainz 05 sehe, geht mir das Herz auf. Er ist kein Schauspieler, das ist er wirklich. Er lebt das, er brennt und zeigt Leidenschaft. Ein Trainer muss Euphorie auslösen können, denn wenn ich andere begeistere, kann ich sie mitnehmen. Aber ich muss das auch vorleben. Das hat mir bei den letzten Trainern gefehlt. Grammozis hat dieses FCK-Gen nicht. Friedhelm Funkel liebt seinen Job; er macht ihn nicht nur, um Geld zu verdienen, sondern weil es seine Bestimmung ist. Diese Leidenschaft vermisse ich heute bei dem einen oder anderen Trainer.

Wagner würde Bo Svensson „mit Handkuss nehmen“

SPORT1: Bo Svensson wird ab dem 1. Juli neuer Trainer bei Union Berlin. Wäre das nicht einer für Lautern gewesen? Aktuell wird ja Markus Anfang als möglicher Funkel-Nachfolger gehandelt.

Wagner: Wenn ich zwischen beiden wählen könnte, würde ich Bo Svensson mit Handkuss nehmen. Er wäre mein Wunschtrainer für den FCK gewesen. Leider wird er in der neuen Saison Union Berlin trainieren. In Lautern heißt es in so einem Fall leider zu schnell, der kommt von Mainz 05 und ist deshalb schnell unbeliebt. Dabei geht es doch nicht darum, wo der Trainer herkommt, sondern welche Arbeit er für den Verein leistet.

Friedhelm Funkel (l.) und Martin Wagner (r.)
Friedhelm Funkel (l.) und Martin Wagner

SPORT1: Ist man mit Friedhelm Funkel am Ende fair umgegangen? Oder hatten Sie das Gefühl, dass er nicht bleiben wollte?

Wagner: Ich habe mit ihm gesprochen. Für Friedhelm war das eine Möglichkeit, dem Verein etwas zurückzugeben. Und ganz ehrlich, Friedhelm hätte nur verlieren können. Er hat den Verein in der Liga gehalten und ihn ins Pokalendspiel geführt. So zu gehen, ist ein großer Abgang. Er hat es erkannt, im Gegensatz zu vielen anderen Trainern, die den Bogen überspannen und nachher nicht wissen, wann Schluss ist. Ich finde es gut, dass Friedhelm für sich entschieden hat, dass hier Schluss ist.