Home>Fußball>

Borussia Dortmund: Henke über Champions-League-Triumph 1997, Lewandowski, Süle

Fußball>

Borussia Dortmund: Henke über Champions-League-Triumph 1997, Lewandowski, Süle

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Henke: Gefahr im Lewy-Poker

Vor 25 Jahren gewann Borussia Dortmund die Champions League. Der damalige Co-Trainer Michael Henke blickt zurück und analysiert auch die aktuelle Lage bei den Schwarz-Gelben. Dabei nimmt er vor allem einen Neuzugang in die Pflicht.
Borussia Dortmunds Triumph in der Champions League 1997 war ein Meilenstein. Im Finale gegen Titelverteidiger Juve erlebten Karl-Heinz Riedle und Lars Ricken eine Sternstunde.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Diesen Tag wird kein BVB-Fan vergessen. Und Michael Henke natürlich auch nicht. Es war der 28. Mai 1997, da gewann Borussia Dortmund im Münchner Olympiastadion durch ein 3:1 gegen Juventus Turin die Champions League.

{ "placeholderType": "MREC" }

An diesem Samstag nun jährt sich der schwarz-gelbe Triumph zum 25. Mal. Henke, heute 65, saß damals als Co-Trainer neben Chefcoach Ottmar Hitzfeld auf der Bank. Im SPORT1-Interview erinnert er sich zurück und spricht auch über die aktuelle Lage bei den Dortmundern.

SPORT1: Herr Henke, wie denken Sie an den Abend damals zurück?

Michael Henke: Das war natürlich ein absolutes Highlight. Jetzt muss man wissen, dass ich als Profi nur 2. Liga gespielt habe. Beim BVB hatten wir zuvor schon zwei Meisterschaften gefeiert, aber diese Champions League war etwas Gigantisches. Der Rahmen auch: Im eigenen Land und dann auch noch in München gegen Juve zu spielen, die zu dem Zeitpunkt die wohl beste Mannschaft in Europa hatten. Wie oft hat man schon die Chance den Henkelpott zu gewinnen? Egal, ob als Spieler oder Co-Trainer. Das wurde mir danach erst bewusst. Auch, wenn ich es dann mit dem FC Bayern 2001 nochmal geschafft habe, war der Gewinn des Titels 1997 das Highlight in meiner Karriere als Sportler.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Welche Erinnerungen haben Sie an die Partynacht?

Henke: (lacht) Man kommt nachts nach einem solchen Triumph nicht so früh zum Trinken. Dann trinkt man umso schneller, so war es auch bei uns. Wir haben wirklich ausgelassen gefeiert, wobei wir echt kaputt waren. Und die ganze Spannung fiel rasend schnell ab. Ich kann mich noch daran erinnern, dass meine Frau und ich oben auf der Dachterasse des Hotels im Pool noch eine Runde schwimmen wollten. Aber das Schwimmbad war geschlossen, alle Türen waren zu, doch wir hatten uns schon unsere Bademäntel angezogen. Wir hatten total das Gefühl für Zeit und Ort verloren.

Ex-BVB Spieler Wolfgang Feiersinger äußert sich im exklusiven Interview über die Verbannung von Hitzfeld und über seine bis heute gebliebenen psychischen Probleme.
01:39
Ex-BVB-Profi Wolfgang Feiersinger über einen von Hitzfeld ausgelösten Tiefpunkt

SPORT1: Was war die größte Stärke in diesem Team?

Henke: Ganz klar der Teamspirit. Wir hatten für deutsche Verhältnisse Spitzenspieler, lauter Stars in der Mannschaft. Aber in Europa waren wir krasser Außenseiter - gerade gegen Juve. Wir haben es aber ganz gut hinbekommen die Stars wie Kalle Riedle, Jürgen Kohler, Matthias Sammer oder Paulo Sousa in die Spur zu kriegen. Alle haben damals an einem Strang gezogen. Es ging nicht nur um das Endspiel, auch jedes Spiel im Viertel- und Halbfinale war eine ganz heiße Kiste. Dass wir da bestanden haben, hat uns daran glauben lassen, es auch gegen Juve zu schaffen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Kunstschuss von Lars Ricken

SPORT1: Lars Ricken erlöste alle Skeptiker.

Henke: So war es. Beim Kunstschuss von Lars hatten wir aber auch Glück. Wir wussten allerdings schon vorher, dass wir auch Glück brauchen. Juve war damals wirklich die beste Mannschaft in Europa. Gut war, dass wir durch Kalle Riedle früh in Führung gingen und dann merkten, dass Juventus immer besser wurde. Wenn uns dieses phantastische Tor durch Lars nicht gelungen wäre, hätte Juve uns gekriegt. Wir haben sicherlich gut gespielt, eine riesige kämpferische Leistung gebracht, aber wir hatten eben auch das Quäntchen Glück, das du brauchst. Wir haben aber total an uns geglaubt, weil wir eine Riesenportion Selbstvertrauen angesammelt hatten.

SPORT1: Haben Sie eine nette Anekdote parat?

Henke: Mein Bruder hat mir damals erzählt, dass er auf dem Bankett Christoph Daum getroffen hat und dieser wegen seiner Emotionen ganz durcheinander war. Nicht nur uns hatte das Finale gepackt, sondern alle drumherum. Daum hätte wie ein Wasserfall geredet und meinem Bruder das ganze Spiel nochmal erklärt. Obwohl beide sich gar nicht kannten. Irgendwie flog alles an einem vorbei, man hat das diesen Erfolg und das Drumherum erst viel später erst realisiert.

SPORT1: Wer war beim BVB 1997 der Effenberg von Bayern 2001?

Henke: Wir hatten mehrere Effenbergs im Team, das war unser Vorteil. Aber natürlich war unsere Achse wichtig mit Kohler, Sammer und Sousa, obwohl er als Ausländer mehr der mentale Leader war und nicht der Wortführer. Wir hatten mit Stefan Reuter auch jemanden, der zu dem Zeitpunkt viel Erfahrung hatte und ebenfalls in dieser Führungs-Crew war, aber herausragend waren Kohler, Sammer und Sousa.

Länderspiel-Klassiker LIVE im Stadion erleben: JETZT Tickets für Deutschland vs. England und eine Stadionführung in der Allianz Arena gewinnen! Alle Infos HIER

Andreas Möller mit dem Henkelpott nach dem 3:1-Erfolg über Juventus Turin
19436765

Henke: „Der Titel mit dem BVB war emotionaler“

SPORT1: Wenn Sie die beiden Titel 1997 und 2001 vergleichen müssten, welcher war emotional schöner?

Henke: Schwer zu sagen. Wenn ich mich festlegen müsste, dann war der Champions-League-Gewinn mit dem BVB der überraschendere Titel. Ich war heilfroh, dass ich dabei war, vor allem, weil wir 1999 mit Bayern in Barcelona die Katastrophe schlechthin erlebten. Bei allem Frust habe ich damals nur gedacht ‚Gott sei Dank habe ich diesen Pott schonmal gewonnen‘. Ich war ja nur der Co-Trainer. Der Titel mit dem BVB war emotionaler, das hat man auch in der Stadt gemerkt. Es war ein absoluter Überraschungs-Coup. Bei Bayern wurde es nach 1999 fast erwartet, gegen Valencia die Champions League zu gewinnen.

SPORT1: Was war das Besondere an der Verbindung Hitzfeld / Henke?

Henke: Das blinde Verständnis. Das entwickelte sich in kurzer Zeit. Wir kannten uns, bevor er nach Dortmund kam, nicht persönlich, aber wir merkten schnell, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Und dann war es nachher so, dass wir uns blind verstanden haben. Wir mussten uns auf dem Trainingsplatz gegenseitig gar nicht viel erklären. Ottmar sagte oft ‚Du hast 30 Minuten für die Mannschaft‘, wir hatten vorher die Schwerpunkte bereits abgesprochen.

Die Details mussten wir gar nicht absprechen, weil da ein absolutes Verständnis gegeben war. Ein weiterer Vorteil war unsere schmale Hierarchie-Struktur. Heutzutage laufen da viel mehr Trainer rum. Bei uns war es Ottmar und ich, dazu ein Torwart- und Fitness-Trainer. Viel mehr war es nicht. Ottmar und ich haben mehr Zeit zusammen verbracht als mit unseren Familien. Deshalb war das Verhältnis auch fast noch intensiver als mit der eigenen Ehefrau.

Michael Henke war lange Zeit Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld
Michael Henke war lange Zeit Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld

SPORT1: Kommen wir zur Aktualität. Wie bewerten Sie die abgelaufene Saison des BVB? Marco Rose musste nach nur einem Jahr wieder gehen.

Henke: Ich bin da geteilter Meinung. Souverän Zweiter zu werden, ist auch eine Leistung. Zumal es viel Verletzungsprobleme gab. Andererseits muss der BVB den Anspruch haben, die Bayern mehr zu ärgern. Vor allem, wenn man beobachten konnte, dass die Münchner in der abgelaufenen Saison Probleme hatten. Dann muss aus Dortmund mehr kommen. Insofern habe ich diese große Analyse zuletzt schon verstanden, wo die Dinge kritisch betrachtet wurden. Der BVB ist nach über zehn Jahren einfach wieder dran Meister zu werden. Die Borussia ist kein klassischer Vizemeister, sondern ein ernsthafter Meisterkandidat.

Henke mit kritischen Tönen zum Rose-Aus

SPORT1: Eigentlich wollten die Bosse weiter an Rose festhalten.

Henke: Ich fand, dass es richtig war, dass man zuerst mit Rose weitermachen wollte. Wir müssen einfach mal lernen, dass man für Entwicklungen Zeit braucht. Ein neuer Trainer bedeutet immer einen neuen Staff verbunden mit vielen Neuigkeiten, die das Team lernen muss. Das geht nicht in einer Saison. Ich bin ein Freund davon länger an einem Trainer festzuhalten. Doch da hat man sich beim BVB dann nach der Analyse anders entschieden. So unerfolgreich war der BVB doch nicht, schließlich hat man mit der direkten Qualifikation für die Champions League etwas vorzuweisen. Aber insgesamt ist es für Dortmunder Ansprüche zu wenig lange nur in einem Wettbewerb vertreten zu sein. Da ist jetzt Edin Terzic in der neuen Saison noch mehr gefordert.

SPORT1: Waren Sie überrascht vom Rose-Aus?

Henke: Ja. War es die Diskussion wegen der vielen Verletzten? Hat man darüber diskutiert, dass die Trainingssteuerung nicht passt? Es muss jedenfalls ein wichtiger Grund gewesen sein, bei dem die Verantwortlichen des BVB davon ausgehen, dass dieser relativ leicht abzustellen ist durch einen neuen Cheftrainer. Edin Terzic ist jetzt natürlich eine nachvollziehbare Lösung. Allen war klar, solange er im Verein ist, ist er auch immer ein Kandidat für die Position des Cheftrainers bei Borussia Dortmund. Nun hat sich bewahrheitet, dass man auf ihn zurückgreift, weil er sowieso da ist. Dann ist es schon irgendwie folgerichtig.

Niklas Süle und Karim Adeyemi bringen BVB-Trainer Marco Rose neue Möglichkeiten
Niklas Süle und Karim Adeyemi bringen BVB-Trainer Marco Rose neue Möglichkeiten

SPORT1: Ist Karim Adeyemi der richtige Haaland-Nachfolger?

Henke: Ich finde das eine sehr gute Lösung. Man darf aber natürlich nicht erwarten, dass er genauso performt wie Haaland. Aber die Dortmunder müssen sich genau wie die Bayern immer bemühen, die größten internationalen Talente zu bekommen und dann den nächsten Stepp machen. Und da finde ich die Wahl mit Adeyemi sehr gut.

Henke: „Er möchte halt nochmal etwas anderes machen“

SPORT1: Warum scheint der BVB bei Talenten das bessere Händchen zu haben? Schlotterbeck und Adeyemi zeigen das deutlich.

Henke: Ich glaube, dass die Dortmunder in der Vergangenheit mehr dazu gezwungen waren, weil sie eine höhere Fluktuation hatten. Die Bayern konnten sich immer darauf verlassen, dass sie die Spieler, die sie hatten, auch behalten haben, wenn die es wollten. Vor allem die Leistungsträger. Das hat sich jetzt etwas geändert, weil ein Wandel vollzogen wird und es Diskussionen um einen möglichen Lewandowski-Wechsel gibt. Er möchte halt nochmal etwas anderes machen. Vor allem in der Defensive müssen sich die Münchner neu aufstellen. Das ist eine neue Erfahrung für den Verein.

Der internationale Transfermarkt ist schwieriger geworden. Hier spielen die Bayern nicht mehr die erste Geige. Und das Gefühl kennen sie nicht in München. Hier muss sich der FC Bayern umstellen. Man muss auch mal Spieler finden, die den nächsten Schritt gehen wollen. Das war bei Lewandowski damals so. Er war in Dortmund schon ein sehr guter Torjäger, aber erst bei Bayern hat er sich in die europäische Spitze geschossen.

SPORT1: Sind Nico Schlotterbeck und Niklas Süle für den BVB die Innenverteidigung der Zukunft?

Henke: Das kann ich mir gut vorstellen. Und dann auch die Innenverteidigung in der Nationalmannschaft. Beide haben enormes Potenzial, Süle ja schon länger, vor allem seit der vergangenen Saison auch Schlotterbeck. Dieser muss sich demnächst in einem ganz neuen Umfeld beweisen als das in Freiburg der Fall war. Aber es ist ein logischer Schritt, dass er das macht.

SPORT1: Süle sagte zuletzt in der Sport Bild „Wir wollen komplett attackieren“. Ganz schön selbstbewusst…

Henke: Daran muss sich Süle messen lassen. Und der BVB auch. Aus der Nummer kommen die Dortmunder jetzt nicht mehr raus. In der Vergangenheit hat man beim BVB dieses Image gepflegt, dass man sich etwas devoter gegeben hat und sagte man könne mit den Bayern nicht mithalten. Auch gehaltsmäßig. Damit haben die Dortmunder ganz gerne kokettiert. Jetzt schließe ich das für das nächste Jahr aus. Nun muss man sich dazu bekennen mit den Bayern klar um die Meisterschaft spielen.

Erling Haaland (l., mit Sebastian Kehl) soll sich um "persönliche Angelegenheiten" kümmern
Erling Haaland (l., mit Sebastian Kehl) soll sich um "persönliche Angelegenheiten" kümmern

Neue Ära? Kehl für Zorc

SPORT1: Michael Zorc hat aufgehört, Sebastian Kehl ist sein Nachfolger. Wie Wie bewerten Sie diesen Wechsel

Henke: Michael Zorc hinterlässt große Fußstapfen. Er hat eine riesige Bilanz vorzuweisen. Aber ich finde den Weg, den die Dortmunder gewählt haben, gut. Sie haben „Kehli“ peux a peux aufgebaut und deshalb gehe ich auch fest davon aus, dass es funktionieren wird. Er muss sich beweisen und es ist ein Unterschied, ob du dann die alleinige Verantwortung hast, oder, ob Du erstmal mit schwimmst und dir alles anschaust. Ich finde es einen logischen Schritt und traue es „Kehli“ auf jeden Fall zu.

SPORT1: Was sagen Sie zum Fall Lewandowski? Es ähnelt der Situation damals beim BVB.

Henke: Das ist eine interessante Diskussion. Es ist ja das heiße Thema gerade. Ich sage, wenn ich mich in die Bosse rein denke, dass, wenn ich keinen gleichwertigen Ersatz kriege, dann muss Bayern mit Lewandowski weitermachen. Ohne wenn und aber. Wenn sich ein annähernd vernünftiger Ersatz finden lässt, dann kann ich Lewy schon jetzt verkaufen. Auch wenn die Bayern draufzahlen müssen. Das ist die Gefahr in dem ganzen Lewandowski-Poker. Geld generieren für eine neue Option wäre sehr wichtig. Es wird aber nicht einfach für Lewandowski einen gleichwertigen Ersatz zu finden. Eine echt spannende Geschichte.

SPORT1: Wie geht es mit Ihnen weiter? Zuletzt waren Sie Co-Trainer bei Arminia Bielefeld...

Henke: Wir wollten uns nach der Saison zusammensetzen. Das Gespräch mit Samir Arabi (Sportdirektor Arminia Bielefeld, d. Red.) steht aber noch aus. Eventuell bleibe ich bei der Arminia im Trainerteam.