Frust und Enttäuschung saßen bei den Dortmundern nach dem Abpfiff in Frankfurt tief. Der Umgang mit diesen Gefühlen fiel dennoch unterschiedlich aus. Emre Can wirkte angefasst, antwortete knapp. Die Augen des Kapitäns waren feucht. Sportdirektor Sebastian Kehl wütete gegen den VAR.
Klare Ansage an Sahin!
Und Nico Schlotterbeck diskutierte im Kabinentrakt intensiv mit Eintracht-Verteidiger Robin Koch. Doch nicht einmal der anschließende Trikottausch der beiden DFB-Mannschaftskollegen konnte den Mundwinkel des Dortmunders auch nur einen bisschen nach oben bewegen.

Sport-Geschäftsführer Lars Ricken echauffierte sich über „die immer gleichen Fehler“, die die Mannschaft mache und brachte es auf den Punkt: „Wir müssen nicht mehr analysieren, sondern Lösungen haben.“ Allen Dortmunder Beteiligten war klar: Am Freitagabend hätte nur etwas Zählbares dabei geholfen, die Situation zu entschärfen - egal wie.
BVB fehlt es an Spirit – Sahin vor Endspiel
Während beim Gegner Dino Toppmöller in Bezug auf den emotionalen Abschied von Omar Marmoush über den Teamgeist und Spirit seiner Mannschaft schwärmte, saß Nuri Sahin bedröppelt daneben. Genau das wollte der BVB-Trainer eigentlich in Dortmund aufbauen: DNA und Fußball, der zur Stadt passt. Und jetzt? Sahins Zukunft steht mehr denn je auf der Kippe. Doch immerhin: er bekommt mindestens ein Endspiel.
„Es gibt eine klare Erwartungshaltung, dass wir jetzt auch Siege und Erfolgserlebnisse brauchen“, sagte Ricken. Der BVB-Boss sprach dabei auch explizit den Trainer an. Er habe mit Sahin gesprochen, „was unsere klare Erwartungshaltung ist, dass da eine klare Botschaft ist.“
Um den Turnaround zu schaffen, braucht es am Dienstag in Bologna nicht nur drei Punkte, sondern eine 180 Grad-Wende. Denn die Verantwortlichen werden sich die aktuellen Ergebnisse und die Entwicklung nicht mehr lange nur ansehen. Das Vertrauen bröckelt.
Nach der Kiel-Pleite klang Überzeugung durch, in Frankfurt waren es höchstens noch Durchhalteparolen. Selbst ein Sieg gegen die Italiener setzt ein Erfolg am nächsten Wochenende in der Liga gegen Bremen voraus. Erst dann könnte Sahin kurz durchatmen. Denn das Tagesgeschäft lautet Bundesliga. Und da ist der BVB weit von den eigenen Ansprüchen entfernt.
BVB vor ungewisser Zukunft
Das Erreichen der europäischen Wettbewerbe ist von höchster Bedeutung. Selbst die zweitklassige Europa League, für die die Dortmunder aktuell noch nicht mal qualifiziert wären, ist eigentlich zu wenig. Denn die Champions League ist der deutlich lukrativere Wettbewerb.
Drohende ausbleibende Prämien daraus könnten den Verein in eine Schieflage bringen. Neben den finanziellen Einbußen würde das Verpassen der ersten vier Plätze das Image des Klubs schmälern, die Attraktivität für Spieler mindern.
Die BVB-Bosse müssen sich darüber klar werden, ob sie dieses Risiko in Kauf nehmen, um die dringend notwendige und von allen Dortmundern angestrebte Entwicklung mit Sahin weiterzuführen oder nicht doch vorzeitig das Projekt abbrechen.
Deshalb halten die BVB-Bosse an Sahin fest
Das Festhalten an Sahin mag für den ein oder anderen BVB-Anhänger naiv sein. Doch die Geduld der Bosse hat auch seine Gründe.
Eine Trennung wäre ein Eingeständnis, dass das Gesamtkonzept, das man sich aufgebaut hatte und mit dem man eine neue Ära prägen wollte, schon im Anfangsstadium gescheitert ist. Sowohl Ricken als auch Sportdirektor Sebastian Kehl sahen in dem jungen und auf höchstem Niveau noch unerfahrenen Sahin die ideale Besetzung für den Posten des Cheftrainers. Auch sie würden ein Aus von Sahin nicht ohne Kratzer überstehen.
Dazu wimmelt es auf dem Markt nicht gerade an Alternativen. Dieses Problem bringt das Winter-Transferfenster mit sich. Die ganz guten Leute aus der obersten Kategorie, ähnlich wie bei den Spielern, sind nicht verfügbar. Schon gar nicht kurzfristig.
Dazu kommt, dass es keine Garantie dafür gibt, dass ein neuer Trainer die Wende schafft. Der Kader und die Einzelspieler beweisen gerade nicht, dass sie den Ansprüchen des Vereins gerecht werden können. Ein Schnellschuss birgt deshalb erhebliche Gefahren.
Sahin zeigt sich kämpferisch
Dennoch: Am Ende ist es Sahin, der für die Weiterentwicklung der Spieler und den Erfolg der Mannschaft verantwortlich ist. In Bezug auf beide Punkte herrscht momentan: Fehlanzeige.
„Du kannst jetzt in Selbstzweifel kommen, oder diese katastrophale Situation annehmen und deinen Mann stehen. Bis zum letzten Tag, an dem ich hier Trainer bin, werde ich nichts anderes fordern“, gab sich Sahin nach der Partie kämpferisch.
Aber Zeit im Profifußball gibt es kaum – schon gar nicht für Trainer. Das weiß Sahin aus seiner aktiven Profikarriere nur zu gut.